Als wir träumten – Filmrezension

Der neue Dresen-Film „Als wir träumten“ ist ein Männerfilm. Es wird geprügelt, geboxt, es werden Autos geknackt, kaputt geschlagen, Mütter beiseite gedrängt, es wird gekokst, gesoffen, es werden Pornos geguckt.

Alles spielt sich im Dunklen und laut ab, in Ruinen, dunklen Kellern, auf nächtlichen Dächern, in verlassenen Fabrikhallen, Werkstätten, zwischen Hochhäusern und Müllbergen. Nebenbei bügeln Frauen Wäsche. Briketts werden gegen Geld einer Oma hochgetragen, in verrauchten Kneipen sitzt die Elterngeneration und ist dem Alkohol vollends verfallen. Lost generation. Der Film ähnelt insofern dem aus Rostock über die Nazikids (“Wir sind jung, wir sind stark”). Nur das diese hier Kloppereien mit Nazis haben.

Disco in verlassener Russenruine

Nachdem die fünf 16-jährigen Jungen eine Underground-Disko in einer verlassenen Russenruine aufmachen und damit Erfolg haben, werden sie von einer straff organisierten Glatzen-Nazibande nacheinander auf den Pflastersteinen verlassener Straßen per Kiefernbruch fertiggemacht und ansonsten beinahe totgeprügelt. Die Freundin von Dani, der Hauptperson, aus Kindertagen, ist ausgerechnet mit dem Mafioso, der dieser Gang, weit oben vorsteht, liiert.

Abgrundtiefe Verlorenheit

Eindruck machen die abgrundtiefe Verlorenheit dieser Jugendlichen samt ihren Umfeld aus abbröckelnden, eingestürzten und toten Häusern. Die Redundanz der Handlungen dieser kleinen Macho-Clique, die zunächst zusammenhält, dann aber in ihre Einzelteile zerfällt, ist manchmal allerdings etwas ermüdend und geht nicht wirklich tief. Das Verhalten der Jugendlichen zeigt aber eindrücklich, dass sich unter ihnen etwas geöffnet, hinter ihnen etwas zusammengebrochen und sich vor ihnen ein Abgrund geöffnet hat, in den eine noch eben intakte Gesellschaft wie in einem Höllenschlund versunken ist.

Kinder-Erinnerungen kunstvoll untermischt

Insofern ist mir der Titel: „Als wir träumten“, nicht ganz einleuchtend geworden. Worauf soll das anspielen? Auf den herrschaftsfreien Raum, der sich kurzzeitig in Abrisshäusern auftut, oder auf die Kindersequenzen, die dem ganzen sehr kunstvoll untermischt sind? Die Kinder-Erinnerungsszenen sind die stärksten des Filmes, sie wirken auf besondere Weise feinfühlig angelegt, daher authentisch und wahr, geschickt hat Dresen hier den üblich westbornierten DDR- Blick vermieden und ist doch keineswegs unkritisch geblieben. Die Hauptpersonen sagen FDJ-Sprüche auf, die von Gerechtigkeit handeln und für den Aufbau des Sozialismus eintreten. Da gibt es Militärisches und autoritäre Drangsal, aber es gibt auch den Satz der Lehrerin: “Du willst Reporter werden?“, und es ist klar, das liegt durchaus im Bereich des Möglichen.  Und die Kinderfreundin, die am Ende als Stripperin arbeitet und mit jedem für einen schnellen Fick ins Klo geht, die liest wunderbar begabt vor, von Frieden und Freiheit und Gerechtigkeit. Und nie hätten diese Kinder, die damals wohl behütet schienen, geahnt, dass sie sich nur einige Jahre später in solch einem Abgrund wiederfinden würden. Da dran sehen sie zunächst etwas enorm Erhebendes, nämlich, niemandem mehr Rechenschaft ablegen zu müssen. Frei sein, wild sein, auf alles scheißen, sich selbst etwas aufbauen wollen. Aber sie verlieren sich. Sie vergeuden ihre Kraft im Knacken von Autos, im Herumfahren und kaputt machen von Autos, im Prügeln, im Klauen, im Dealen, im Scheißen auf die Bullen. Sie sind durch den Machdas öffnet Möglichkeiten.

Feiern in Trümmern

Doch ihnen ist einzig die Freundschaft zu ihrer Clique geblieben. Sie sind  Outlaws geworden und feiern das in den Trümmern, die der Machtwechsel übrig gelassen hat. Der Film spielt einige Jahre nach und mit den Kindererinnerungen, vor der Wende, lässt die unmittelbare Wendezeit geschickt aus (die muss der Zuschauer sich selbst mit Bildern füllen). Vom Träumen fand ich da wenig, eher von Verzweiflung und von Wut. Am Ende nur noch Trauer.

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