Hände hoch – Und dann bin ich verloren!

Die Autorin Anja Röhl hat erstmalig 2004 in der Literaturzeitschrift Risse, unter dem Titel: Tante Anneliese, dann 2009 in einem Artikel in der Literaturbeilage der jungen Welt: “Und dann bin ich verloren! Hände hoch: Wie war es auf die Nordseeinsel Wyk verschickt zu werden?“ im Feuilleton der jw, und dann 2013, nochmal ausführlicher, in dem autobiografischen Roman: Die Frau meines Vaters,  ihre Erlebnisse aus Verschickungsheimen beschrieben und geschildert. 2019 gründete sie die Webseite: www.verschickungsheime.de und initiierte eine breite Vernetzung von Betroffenen und Forschenden zu diesem vergessenen Thema. 

09.09.2009 / Feuilleton junge welt / Seite 13

Besuch auf einer Insel

FöhrDiesen Sommer besuchte ich das erste Mal nach 49 Jahren wieder einmal die Nordseeinsel Föhr. Ich war bei einer reizenden Familie eingeladen, am Abend gab mein Sohn mit dem Sohn der Familie ein Jazz-Konzert in der örtlichen Musikschule, am Tag wanderte ich über die Strandpromenade, radelte über die Insel und die Strände entlang, kam leider eine Woche zu früh für das außerordentliche Museum der nordischen Kunst und stieß irgendwann, am Ortsausgang von Wyk, auch auf das unscheinbare Backsteingebäude, das noch immer, 49 Jahre später, als ein Kinderheim fungierte und in dem ich einst, im Alter von fünf Jahren einen äußerst gesundheitsfördernden Aufenthalt hatte. Wir kamen von Hamburg-Barmbek und sollten frische Seeluft tanken, die hanseatische Ersatzkasse war die Geldgeberin, man nannte es „Verschickung“, ein Arzt musste uns vorher begutachten und unser Arzt, Dr. Krille, tat meiner Mutter gern den Gefallen, denn sie war alleinerziehend und brauchte auch Erholung, und ich bot reichlich Anlass, denn ich war sehr oft krank. Unter dem „Verschicktwerden“ konnte ich mir vor dem Aufenthalt in Föhr nichts weiter vorstellen, weshalb ich auch ohne Angst den Zug bestieg. Man hängte uns Karten um den Hals und später legten wir in Zweierreihen den Weg vom Hafen zum Heim zurück. Tatsächlich hatte ich auch diesmal, bei meinem Besuch auf Föhr im Jahre 2009 eine Reihe solcher Kinder in Zweierreihen gesehen, die mit ihren Begleiterinnen vom Schiff über die Hafenvortrasse geführt wurden. Sollte es immer noch solch eine Verschickung geben? Unter uns Barmbeker Kindern gelang später der Begriff „Verschicktwerden“ zu trauriger Berühmtheit, weil er einem Todesurteil gleich kam, wovon die Eltern partout nichts wissen wollten, was unter uns aber zum notgedrungenen Allgemeinwissen wurde, je mehr Kinder diese Erfahrung machen durften.

Die erste Nacht

An die erste Nacht im Heim auf Föhr kann ich mich mit einer Schärfe erinnern, als sei es erst gestern gewesen, was unzweifelhaft durch das intensive Gefühl langsam anwachsender Angst hervorgerufen wurde, das mich bald ganz und gar beherrschte. Es handelte sich um einen riesigen Schlafsaal, auf dem wir in langen Kolonnen in schmale Betten gelegt worden waren, denen sich vom Ende des Saales her mehrere Erzieherinnen, wir nannten sie Tanten, näherten. Diese machten sich geschäftig an jedem Kind zu schaffen, in dem sie sich zu jedem Kind herabbeugten und dessen Hände begutachteten. Dies wäre vielleicht nur seltsam und unverständlich gewesen, erst die zweite Beobachtung machte daraus etwas Angst erregendes, denn manchmal, keineswegs jedes Mal, aber ziemlich häufig, nahmen sie die Hände des jeweiligen Delinquenten nach dem Begutachten hoch, steckten seine Finger bis zum Handgelenk in einen schneeweißen Beutel und banden diesen zu und unter dem Bett an einer Stange fest. Das Kind war daraufhin ans Bett gefesselt.

Totenstille

Keines schrie, im Saal herrschte Totenstille. Aller Augen lagen auf dem langsamen Vorwärtskommen der Tanten in die eigene Richtung. Ich erinnere mich nicht, etwas gedacht zu haben, etwa wie man dann wohl auf Toilette kommen mag, ob das unsere Eltern erlaubt haben würden, oder andere durchaus der Sachlage angemessene  Gedankenverbindungen, ich dachte nur eines: Die kommen auch zu mir und dann bin ich verloren!  Ich erinnere mich genau, dass ich mich nicht mehr zu bewegen traute und sich die Angst in meinem ganzen Körperinneren ausgebreitet hatte. Wie ein sich mit Wasser füllender Krug war in mir nur noch Angst und sonst nichts mehr. Ich spürte an der rechten Hand meinen Daumen und wusste, dass man es sehen konnte, er war kleiner als der andere und durch das lange Lutschen wie ausgelaugt. Ich legte ihn also möglichst weit weg von dem anderen auf die Bettkante. So blieb es eine ganze ewige Weile. Bis ich aus dem Zustand der Erstarrung erwachte, als ich begriff, dass die Tanten an mir vorbei waren, meine Hände wohl begutachtet hatten, ich erinnerte mich vage, sie gesehen zu haben, wie sie sich über mich beugten, aber nicht, etwas gespürt zu haben, was einer Berührung glich, doch hatten sie mich immerhin ungefesselt gelassen, sie hatten meinen Daumen nicht entdeckt. Sie waren auf abgeknabberte Fingernägel aus gewesen, das begriff ich später. Die Angst ließ mich erschöpft, aber erleichtert zurück, so dass die Hauptarbeit, die es für mich nun noch gab, mir ungemein leicht erschien – ich musste wach bleiben – Es war klar, dass ich nicht schlafen durfte in dieser Nacht, denn schlafen konnte ich nur, wenn ich in einem komplizierten Verfahren, was ich mir längst abgewöhnen sollte und für das man schon viel getan hatte, meinen Daumen in den Mund nahm und ihn auf den anderen Arm ruhen ließ, den ich gleichfalls ein wenig besaugte. So blieb ich also im Bett liegen wie eine Salzsäule, rechts und links mit ausgestreckten Armen, und doch wurde mir heiter und wohl ums Herz, anlässlich der Leichtigkeit des Wachbleibenmüssens gegenüber der eben ausgestandenen Angst, für den Rest der Nacht ans Bett gefesselt zu werden. So war das Föhrer Kinderheim.

Nur selten am Meer

Tagsüber waren wir selten am Meer, ich erinnere mich nur an einen Tag, wo ein Bild für die Eltern gemacht wurde und wir alle lächeln sollten. Ansonsten kamen wir täglich nackt in enge, dunkle Räume mit Höhensonnenbrillen auf den Nasen und mussten dort Plumpssack spielen. Wir schämten uns, besonders wenn wir so durchs kalte Treppenhaus geführt wurden und die Jungen trafen, die Erzieherinnen lachten darüber, ich höre es noch heute laut schallend über den Flur tönen, ihr Lachen, mit dem sie uns bedeuten wollten, dass es wohl der drolligste Gedanke sei, den es je gegeben hatte, sich als Kind seiner Nacktheit schämen zu wollen. Die Höhensonnenräume waren bis unter die Decke gekachelt, grün und eng und ohne jedes Fenster und machten auf uns Kinder einen nicht eben Vertrauen erregenden Eindruck. Ich weiß, wie die Erwachsenen uns immerzu zum Spielen treiben mussten, von selbst mochten wir es nicht, standen nur still und stumm und wünschten uns wer weiß wohin, nur weg.

Gedanken an Zuhause kamen nicht auf

Der Gedanken an Zuhause kam in uns nicht auf, nicht wegen Mangels an Phantasie, da war kein Mangel, wir malten uns den ganzen Tag aus, was sich die Erzieherinnen als nächste Strafe auszudenken gedächten, nein, wegen dem fehlenden Trost. Man kann keinen Gedanken an eine Sehnsucht verschwenden, wenn da niemand ist, der einen dafür in den Arm nimmt oder die Möglichkeit eröffnet, irgendwann einmal wirklich wieder  dorthin zurück zu kommen. Da das nicht ging und ich mich allem hier ausgeliefert fühlte, immerhin war ich erst fünf, war in meinem Inneren der Gedanke an mein Zuhause gänzlich verschwunden. Hätte man mich nie mehr nach Hause gebracht, ich hätte es ebenso ertragen, wie die sechs unseligen Wochen dort, an denen ich nicht eine Minute des Tages ohne Angst war. Folterheim dachte und sagte ich später meinen Eltern, als ich unerwarteterweise schließlich doch wieder zurückgeschickt worden war, mit der, wie sich herausstellte, leider vergeblichen Hoffnung, sie würden mich nie wieder in so was „verschicken“, was dann allerdings noch mal, ebenso grausam und schlimmer geschehen war. Ein Heim unter vielen dachte ich später, als viele Jahrzehnte ins Land gegangen waren und ich trotz dieser Behandlung zu einer selber denkenden Persönlichkeit herangewachsen war.

In graue Decken gewickelt auf dem Flur

Bis ich bei meinem Besuch im Föhrer Museum ein Buch in die Hand nahm und darin die Zeilen einer Autorin las, die schrieb, dass die Erfahrungen im Föhrer Kinderheim zu den schlimmsten ihres Lebens gehörten. Sieh mal an, dachte ich, da ist es einer genauso gegangen.Kann es sein, dass es noch mehr Menschen gab, die im Föhrer Kinderheim gelitten hatten? Einem unter vielen oder vielleicht doch einem besonderen?  Damals litt jedes still für sich allein. Ich erinnere mich keiner Freundin, keines Wortes, dass ich je an eine andere Person richtete. Es gab in dunklen Sälen das Essen in Suppenform, Graupen oder Speck, hart wie Schuhsohle schwamm dort drin, ich war froh, es durch mein Kindergartenessen gewohnt zu sein, während andere weinten und das Erbrochene wieder aufessen mussten, wenn sie es schließlich unter Krämpfen hervorgewürgt und auf ihren Teller gespuckt hatten. In graue Decken eingewickelt mussten wir nachts, draußen im Flur, Strafe sitzen, wenn wir etwa geschwatzt hatten oder zur Unzeit auf die Toilette wollten. Letzteres war nur zu ganz bestimmten Zeiten, tief in der Nacht, gestattet, wenn Rotlicht brennt, sagte man uns, aber ich jedenfalls sah nie irgendwo je ein Rotlicht brennen. Hatte ein Kind ins Bett gemacht, wurde es öffentlich lächerlich gemacht, man hängte sein Bett-Tuch quer durchs Zimmer und das Kind bekam irgendetwas nicht, keinen süßen Brei, kein Mitkommen auf einen Ausflug, kein Lesen von Bilderbüchern, Strafe musste sein, das war hier oberstes Prinzip und leise sein, immer mussten wir leise sein. Überhaupt waren wir wie Marionetten. Wir warteten, bis man uns sagte, geht, wir standen still, wenn man uns sagte, steht still, wir bewegten uns, wenn man uns sagte, bewegt euch. Nur mit dem Spielen wollte es nicht so klappen, wenn sie uns sagten, spielt, dann fiel uns einfach nicht ein, was wir wohl spielen konnten.

Eine eigene Internetseite mit vielen Infos zum Thema: www.verschickungsheime.de

Zu Jahresbeginn 2021 (März) lege ich zu diesem Thema erstmalig  ein grundlegendes Fachbuch vor: https://www.psychosozial-verlag.de/3053, gern kann es jetzt schon vorbestellt werden!  Journalisten wie Experten können sich auch schon jetzt für Besprechungsexemplare vormerken lassen.

Die Kommentarfunktion findet sich ab jetzt nur noch hier: http://verschickungsheime.de/zeugnis-ablegen-erlebnisberichte-schreiben/

141 Antworten auf “Hände hoch – Und dann bin ich verloren!

  1. Liebe Frau Roehl,

    so ein Zufall: ich wurde 1955 mit 5 Jahren nach Wyk auf Föhr verschickt – vermutlich aus den selben Gründen wie Sie – und mit Eindrücken, die den Ihren durchaus gleichen.

    Ich war im Winter da und erinnere auch, daß “Freigang” eine absolute Seltenheit war. Das Festgebundenwerden während der Nacht habe ich nicht erfahren, dafür war eine andere Art der Schikane Mode bei uns Jungs: Wir wurden dressiert, die langen Unterhosen FALTENFREI in unsere Kniestrümpfe einzuführen – mit entsprechenden Extra-Trainingseinheiten.

    Jeden Mittag gab es eine ausgedehnte Mittagsruhe in einem -wie man heute sagen würde- verglasten Wintergarten. Unnötig zu erwähnen, daß natürlich ein absolutes Schweigegebot herrschte. Die Zeit schien niemals enden zu wollen.

    Ich erinnere die Zeit im Kinderheim auf ähnliche Weise wie Sie: auch ich habe mich des öfteren gefragt, welche Art der Sozialisation die “Tanten” wohl erfahren hatten – und ich kam zu ähnlichen Vermutungen wie Sie.

    Der Aufenthalt dort gehört zu den traumatischeren Erfahrungen in meinem Leben – nur gut, daß dies ein einmaliges Ereignis blieb.

    Liebe Grüße

    Eberhard Kuske

  2. Guten Tag,
    habe durch Zufall heute die zwei Beiträge gefunden. War selbst dort im Oktober/November 1959 für 9 Wochen. Wurde im November 5 Jahre.
    Als ganz so “krass” kann ich die Zeit dort nicht erinnern. An die weißen Handschuhe kann ich mich auch erinnern, aber es war dort eine Art Krätze (Ekzem) ausgebrochen, so auch bei mir. Auch Windpocken waren ausgebrochen Man wollte wohl verhindern, das die Kinder ständig kratzen. Bei mir war das Kinn betroffen. Soweit ich mich erinnere haben wir öfters Wanderungen gemacht. Ich erinnere mich dazu an eine Fahrt nach Amrum, eine Wanderung im Dunkeln mit Laterne oder auch zweimal? zu dem Gelände weiter südlich am Strand, welches zum Heim gehörte. Dort in der Liegehalle mußten dann den Mittagsschlaf halten. Auch in der Stadt selbst waren einige Male. Also das kann ich nicht bestätigen, dass wir draußen nicht genug bewegt worden. An eine Sache erinnere ich besonders. Im Zeichen der damaligen Zeit “Was auf den Tisch/Teller kommt, wird aufgegessen” wurden wir auch gezwungen, rote Beete zu essen. Ich selbst konnte sie gerade so herunterwürgen, während mein Platznachbar die rote Beete hineinwürgte oder in den Backentaschen behielt um dann alles mit einem großen Schwall auf den Teller ko…te. Komischerweise mag ich heute rote Beete recht gern. Viele Kinder hatten Heimweh, manche sogar sehr extrem.
    Zu den Erzieheren oder Tanten. Meines Erachtens waren die Erziehungsmethoden in dieser Zeit überall gleich, erinnere den Kommandoton auch an ganz anderer Stelle. Und wenn man Zeitzeugenberichte heute aus damaliger Zeit liest, war das Halbmilitärische “Stand der damaligen Wissenschaft” Wie denn auch? Seit Kaisers Zeiten herrschte der Kommandoton vor. Das brauchte schon einige Generationswechsel um mehr Einfühlungsvermögen und andere Erziehungsmethoden zu entwickeln.

    Mit anderen Worten, persönlich habe ich immer gern an die Zeit gedacht, auch schon als ich in den Zwanzigern war und nicht erst seit heute, wo die Eriinerung oft verklärt ist

    Viele Grüße
    Thomas Bergemann

  3. Hallo, im Jahr 1956 (6Jahre alt) war auch ich in dem Kinderheim zur “Verschickung” und kann nur sagen, das ich keine guten Erinnerungen habe. Als erstes wurden allen Kindern bei der Ankunft erst einmal dieVerpflegung abgenommen, die wohl von den Eltern mitgegeben wurde. Wir haben nie wieder etwas davon gesehen. Das Essen gab es aus verbogenen Blechtellern, erst Kartoffelbrei und dann aus dem gleichen Teller dünne Suppe mit Sago. Ich wollte einfach nur nach Hause. Leider war es der Februar mit der extremen Kälte damals und aus 6 Wochen wurden 9 Wochen Aufenthalt. Wegen der zugefrorenen Nordsee zwischen den Inseln. Vier Jahre später kam ich wieder zur “Verschickung” nach Bad Oldesloe. Dort wurden mir die langen Haare an der Stuhllehne festgebunden und das Essen reingeklopft , wenn es wieder rauskommen wollte. Einmal habe ich dann auf den Flur gespuckt. Zur Toilette dürften wir Nachts überhaupt nicht. Meine Bettnachbarin hat in ihre Badekappe gemacht. Das erinnere ich genau. War Briefschreiben angesagt, so wurde jede Karte oder Brief genauestens kontrolliert,damit ja nicht jemand die Zustände , die dort herrschten mitbekam. Es war alles nur schrecklich. Wyk auf Föhr habe ich 50 Jahre später wieder besucht und stand dann lange vor dem “Heim”. Gruß Rosemarie Thiele

  4. So Ähnliche Erfahrungen kenne ich auch von Amrum, und ich musste zwei mal hin einmal mit 6 Jahren und einmal mit 11 Jahren…

  5. handelt es sich um das Kinderheim ” Haus Engel” am Südstrand?
    Dort war ich im Februar 1955 und kam mit Hautausschlag aus der Kinderverschickung
    nach Hause. Eine Verantwortung hierfür wurde abgelehnt (Original Brief ist vorhanden).
    Fräulein Sigrun war die Betreuerin.
    Ich habe an dieses Kinderheim die schrecklichsten Erinnerungen.
    Gruß
    Ullrich Koke

  6. hallo zusammen, habe grad die Karte entdeckt, die die Heimleitung aus Wyk im Jahr 1973 an meine Eltern schickte, als ich dort für sechs Wochen war, damit ich Gewicht zulege. ich war nämlich als Kind stark untergewichtig und solte mit einer Art Fresskur aufgepäppelt werden. Meine Erinnerungen sind gleichwohl etwas schwächer ausgeprägt als die, die ich hier lese.Vor allem an grosse Frühstücksrationen mit Müsli kann ich mich erinnern. Und daran, dass wir vor dem Frühstück allesamt wahrscheinlich zum Appetit bekommen erst einmal in der eiskalten Nordsee baden mussten. Weitere merkwürdige Erziehungsmethoden erinnnere ich nicht. Nur soviel: Das Ergebnis der Bemühungen war bescheiden: nach sechs Wochen hatte ich exakt 600 Gramm zugelegt. Mir wurde dennoch ein “sehr guter Kurerfolg” attestiert.

  7. Guten Tag.
    Auch ich war 1955/56 im Kinderheim in Wyk. Als ich Eure Briefe las, kam in mir auch all die Angst von damals hoch, so dass ich mir nun etwas von der Seele schreiben muss.
    In das Heim kam ich, weil ich an Gewicht zunehmen sollte. Ich erinnere mich, dass ich während meines Aufenthaltes erkrankte und mit anderen Kindern nicht zurück auf das Festland nach Hause konnte.
    Wir Kinder lagen alle in einem Raum. Wir hatten Fieber und mussten uns immer übergeben. Als ich einmal aufwachte, gab es gerade Wurzelgemüse. Einem der Jungs wurde schlecht: er musste sein erbrochenes Essen wieder aufessen!
    Vor lauter Angst, dass ich dies auch machen musste, stellte ich mich schlafend. Als ich einmal kurz blinzelte, sah ich den vollen Teller, den sie mir hingestellt hatten. Nach dem
    Verzehr wurde mir übel, und ich erbrach alles in meine neuen Hausschuhe. Ich hatte di Hoffnung, dass die “Tanten” mein Erbrochenes nicht von den Schuhen abkratzen würden, um es mir dann wieder in den Mund zu stopfen.
    Während wir die sogenannte “Schokoladensuppe” und klumpige Milchsuppe vorgesetzt bekamen, gab es für die “Tanten” Gemüse und Fleisch. Was für ein Hohn! Kinder sind in
    diesem Alter nicht dumm, sie merken den Unterschied!
    Bei der Abreise war von der geplanten Gewichtszunahme, die Sinn des Aufenthaltes war, nichts zu sehen.
    Diesen Horror konnte ich bis jetzt nicht vergessen und bin nun froh, von anderen, ähnlichen Schicksalen erfahren zu haben.
    Leider habe ich dieses Heim bei einem Tagesausflug auf die Insel nicht wiedergefunden.
    Es war groß und hatte am Eingang eine Art Torbogen aus Walknochen oder ähnlichem.
    Vielleicht weiss jemand, was daraus geworden ist?

    1. Sehr endrucksvoller Bericht, Danke!!! Ich werde die Sachen sammeln. Entschuldigen Sie, dass ich den Kommentar so spät erst entdeckt habe, Anja R.

  8. ich glaube ich war zur selben zeit dort als 5 jährige 1960. ich muss mal die Papiere suchen um das zu bestätigen. ich erinnere mich an kaum etwas. entweder verdränge ich das oder es gab nichts erinnerungswertes, was ich mir nicht vorstellen kann. ok, da ist eines, der bund an meiner Hose ging kaputt auf dem marsch zum frühstück. und man zwang mich mit meinem Teller durch den Saal zu laufen um mein essen abzuholen und die Hose fiel dann auch runter und ein lachen im ganzen Saal brach los. vielleicht hatte ich auch Glück denn meine Mutter schickte immer grosse Pakete mit Süßigkeiten von den Amis. wer weiss, würde aber jetzt gern mehr wissen.

  9. Hallo…..
    ich war auch dort zur “Kur”, zumindest in einem der Kinderheime, an den Namen kann ich mich nicht erinnern, aber erst Anfang der 70er….. ich kann nur sagen, es war ein Alptraum. Erinnerungen habe ich an den grossen Schlafsaal, an den Mittagsschlaf, wo man nicht auch nur ein Wort sagen durfte, an die bösen Erzieher, die mich an den Haaren gezogen haben, mich Nächte auf dem Klo haben verbringen lassen etc. Ich wollte immer nur nach Hause, es gab keinen Kontakt nach Hause. Ein Kind brach sich den Arm und durfte nach Hause, ich habe alles versucht, das mir auch so etwas passiert, klappte leider nicht. Schöne Erinnerungen habe ich keine……
    Gruss
    Tanja Blutau

  10. …ja ich war 58 da während der “asiatischen Grippe” und erkrankte ziemlich schlimm, so dass meine eltern benachrichtigt wurden. Zu Essen gabs die ersten 3 Wochen meist Grießbrei oder Milchreis – ein Teller musste gegessen werden. Glücklicherweise saß ich neben einem, der zum Abnehmen da war, der hat immer meinen Teller mit aufgegessen. Nach drei Wochen musste man 2 Teller essen, ich war ja zum “aufpäppeln” da. Mein Nachbar freute sich. Einmal gabs Kartoffelpfannenkuchen – da wollte ich gerne 2 Teller – aber da waren sie schon alle und die Belegschaft zu faul zum Weiterkochen… Mittags gabs 2 Stunden in einem wintergartenartigen Anbau absolute Ruhe, wir stellten uns schlafend, da bei offenen Augen Ärger drohte. Ergebnis: mein zum Abnehmen verschickter Nachbar hatte 5 Pfund zugenommen (er wurde ausgebuht, als man die Ergebnisse vorlas) und ich hatte 5 Pfund abgenommen, was man auf die Krankheit schob. Total abgemagert kam ich von der Aufpäppelung nach Hause – schee wars net.

  11. Ich war 1951 zusammen mit meinem Bruder im Kinderheim “Südstrand” in Wyk/Föhr, wir kamen aus Hamburg und sollten unseren Keuchhusten auskurieren. Ich habe als Fünfjähriger sehr unter Heimweh und Kälte gelitten, auch wurde ich dort krank. Misshandlungen gab es nach meiner Erinnerung nicht, das Essen war allerdings furchtbar. Ich habe bis heute einen unüberwindlichen Ekel vor dicken Kilchsuppen mit Nudeln oder Kopfsalat mit süßem Dressing… Ich erinnere mich, dass ich manchmal morgens von einer Betreuerin, die mich “süß” fand, in ihr Bett geholt wurde. Sehr grenzwertig, aber vielleicht war es auch ganz harmlos. Die 5 Wochen im Kinderheim schienen mir endlos, und bis heute gehört die Nordsee nicht zu meinen bevorzugten Urlaubszielen, leider.

  12. Auch ich habe das Glück gehabt, Mitte der Fünfzigerjahre zwei Mal “verschickt” worden zu sein, zunächst nach Wyk auf Föhr und ein Jahr später nochmal nach St. Peter Ording, da als im Jahr 1948 Geborener doch ständig mit körperlichen Schwächen gesegnet.
    Insgesamt habe ich die Atmosphäre im Wyker Heim eigentlich ganz positiv oder zumindest neutral in Erinnerung, allerdings hat sich bis heute eine Begebenheit in mein Gedächtnis eingebrannt:

    Zum Mittagessen gab es einmal Brathering, und den mocht ich nun überhaupt gar nicht, und das hat sich bis heute auch nicht verändert, nach diesem Ereignis ganz besonders.

    Denn die Tischaufsicht bestand mit strengster Miene darauf, dass die Kinder den Ess-Saal so lange nicht verlassen durften, bis ich meinen Teller geleert und den Fisch aufgegessen hatte.
    Diese für mich äußerst unangenehme Situation konnte ich nur dadurch auflösen, dass ich den Fisch zwar zunächst in meinen Mund aufgenommen, aber anschließend im WC wieder entsorgt habe. Sorry für die drastische Schilderung, aber schließlich ist es genau so gewesen.

    Ich empfand das damals als eklatant diskriminierend und rigide, und viele damals verabscheute Speisen verzehre ich heute auch mit Genuss, nur dem Brathering gehe ich bis heute aus dem Wege, keine Chance! Und da wird das geschilderte Erlebnis sicher seinen Teil dazu beigetragen haben.
    Und ich war damals ganz bestimmt nicht “krüsch”, aber in den kargen Nachkriegszeiten muss diese meine Ablehnung wohl eine ganz besondere “Sünde” gewesen sein, anders kann ich mir das Verhalten der Schwester nicht erklären.

    Bin auch noch auf der Suche nach der genauen Adresse, vielleicht kann sie hier jemand gelegentlich nachreichen, damit ich mir das Gebäude nochmal ansehen kann, sollte es tatsächlich noch existieren.

  13. Das Kinderheim in Wyk in dem ich im Febr. 56 war hieß damals H.K.H. Seemöve
    ich habe noch die alten Postkarten, die meine Mutter mir damals dorthin geschickt hat.
    es war so schrecklich dort.

  14. Im Mai 1962 wurde ich für 6Wochen in das Kinderheim “Marienhof” in Wyk/Föhr geschickt. In Erinnerung habe ich, dass die Erzieherin Uta hieß, den Mittagsschlaf, an einen Ausflug an den Strand (davon gibt es Fotos), an eine heruntergekommene Krankenstation (ich hatte zu der Zeit Masern), Plumpsack spielen, Blechbecher mit einer wulstigen Kante, an den Schlafsaal mit Etagenbetten. Es war schrecklich, ich hatte Heimweh und da ich erst 4 1/2 Jahre alt war, hatte ich noch kein Zeitgefühl. Meine Kinder hätten in dieser Situation getobt und geweint, ich kann mich nicht erinnern, geweint zu haben. Ich glaube, dass ich ganz viel verdrängt habe, hoffe aber, dass es noch mehr Beiträge geben wird und ich herausfinden kann, wie es im Marienhof zu der Zeit zuging.

    1. Danke für deinen Beitrag, es ist bestimmt dasselbe Heim, damit haben wir das erste Mal einen Namen, vielleicht sollten wir uns zusammentun und gemeinsam eine Recherche durchführen, wer waren die “Tanten”, wer hatte die Leitung inne, wo waren sie ausgebildet worden, was war in dem Heim vor 1945 passiert? Woher all das Schlimme kommt, dem sollte man nachgehen. Lass uns über mail oder Tel. Kontakt aufnehmen (Impressum), auch ich war erst 5 Jahre alt, als ich dort war, Grüße, Anja

  15. Ich war als 8 jähriger für 6 Wochen zur “Kur” auf Föhr.
    Es war 1961
    Es waren die schrecklichsten Wochen meines Lebens.
    Ich erkrankte an Mums und wurde -wohl weil es ansteckend ist- in einem Einzelzimmer untergebracht.
    Nur zu den Mahlzeiten kam jemand um mich zu versorgen.

    Ansonsten war ich ca 2 Wochen in diesem Zimmer allein und fühlte mich von Gott und der Welt verlassen
    Einzelhaft im wahrsten Sinne des Wortes

    Ich glaube ich wäre selbst heute kaum in der Lage diese Insel zu betreten.

    Später habe ich auch Vermutungen über die Geschichte des Hauses und seiner Mitarbeiterinnen angestellt und war schnell bei dem Gedanken einer nationalsozialistischen
    Vergangenheit.

    1. Man muss das recherchieren, ich habe hier inzwischen mehrere Betroffene, die über Wyk klagen, dem muss nachgegangen werden, ebenso den verletzungen, die die sogenannten Kinderkuren hervorgerufen haben, das muss öffentlich gemacht werden. Ich habe einmal an die inselverwaltung geschrieben, keine Antwort erhalten, man muss davon ausgehen, dass die Nachkommen der Täter durchaus noch auf der Insel leben, umso woichtiger, dass diese von den illusionen geheilt werden, die die sich noch immer von ihren Eltern oder Großeltern machen, die Wahrheit lässt sich sowieso nicht für immer unterdrücken! Ich werde versuchen, einen besuch in dem heim zu organisieren und von der Stadt, sowie von den Krankenkassen schonungslose Aufklärung und Einsicht in die Akten fordern!

  16. Hallo Anja , auf der Suche nach alten Fotos aus diesem Kinderheim habe ich diese Seite entdeckt ,vielen dank für die ausführliche Beschreibung, es kamen beim lesen eher traurige Gefühle zurück… ich war mit 5 Jahren 1968/ 1969 sechs Wochen zur “Verschickung ” in diesem Heim – kann mich an eiskalte Duschen “zur Abhärtung” , erinnern und auch an den riesigen Schlafsaal mit den Tanten , die dort Wache in den reihen liefen , ja ,wir stellten uns schlafend aus Angst , denn wer die Augen öffnete, bekam ein Stoff-Taschentuch aufs Gesicht gelegt , bei der Abreise in Hamburg am Hamburger HBF aus dem fahrenden Zug ( damals noch die alten Züge mit offenen Fenstern ) sehr geweint. Nur die dünnen Kinder bekamen süßen Griesbrei , ich musste zugucken wie die anderen den Brei aßen . Viele Dinge ,die dort mit mir oder um mich herum passierten ,hab ich nicht verstanden ,sind mir aber in trauriger Erinnerung geblieben.
    Gibt es evtl. mal ein Treffen ? Gibt es dieses Heim jetzt noch ? Evtl. alte Fotos aus dem Archiv ? Viele Grüße Bea

    1. Also bald mache ich mal einen Aufruf bzgl. dieses Heimes im Netz, das ist ja unglaublich, wie viele sowas dort auch erlebt haben, aber sie waren alle so, das weiß ich von freundinnen, wie wäre es mit einer Interessengemeinschaft Kassenheime?

    2. Wer interessiert sich für die Aufarbeitung der Situation in den sogenannten “Kur- und Kassenverschickungsheimen”, das waren Heime, in die Kinder ab dem 4. Lebensjahr “geschickt” wurden, was man sich so vorstellen muss, dass sie allein für 6-8 Wochen fremden “Tanten” ohne jede Eingewöhnung überlassen wurden, die oft mit nichts anderem als roher Gewalt, Drohungen, schlechtem Essen, Essensverweigerung, Schlafentzug, einsperren, Trennung von Geschwistern, Anbinden, Mund und Augen zukleben u.ä. die Kinder in dieser Zeit eher malträtierten als gesund machten. Diese Opfer haben bisher keine öffentliche Stimme bekommen, ich möchte gern Erlebnisse aus diesen Heimen sammeln. Schreibt mir, meldet Euch!!! Zum Einlesen: http://www.anjaroehl.de/wyk-auf-fohr-%E2%80%93-verschickung

  17. ich war 1880 dort …ging irgendwie über die grube.in meiner zeit gab es dort keine solchen foltermethoden mehr..ich habe dort 6 wochen verbracht u eine wunderschöne zeit gehabt.wenn ich das hier so lese,dann bin ich froh das ich zu eurer zeit nicht dort gewesen bin .lg

  18. Das ist ja Wahnsinn , durch Zufall bin ich auf diese Seite gestoßen und nur deshalb weil ich ein Campingplatz für das Frühjahr suchte.
    Ich bin 1964 im Alter von guten 4 Jahren dorthin verschickt worden , deshalb sind meine Erinnerungen sehr schwach .
    Woran ich mich auf jeden Fall erinnern kann , ich wurde krank und hatte die Masern und Windpocken , lag auch ewige Zeit in so einer halbdunklen Schlafkammer. Eine Betreuerin lag nachts direkt neben mir , über den Tag war ich alleine. An das Essen kann ich mich nur dunkel erinnern , ich weiß nur noch das es mir überhaupt nicht geschmeckt hat .
    An den großen hellen Essensraum mit den großen Fenstern erinnern ich mich hier auch und das mir alle meine Spielsachen und Matchboxautos für immer weggenommen wurden. Reden durften wir auch nicht .
    Am Strand waren wir an einem frostig sonnigen Tag , das Meer war vereist. Ich wurde verschickt wegen Blutarmut und ich war zu dünn.Alles im allem habe ich keine gute Erinnerung an diese Kur.
    Ich würde mir heute das Gebäude nochmals anschauen , ob dann noch mehr Erinnerungen aufkommen ?
    Gruß D. Henkel

  19. ich war 1969 oder 70 mit 4 oder 5 Jahren in einer Kur auf der Insel Föhr.
    Ich bin dorthin zusammen mit meinen zwei Brüdern (ein Jahr jünger und ein Jahr älter als ich) geschickt worden als unsere Mutter sehr krank war.
    Ich habe wenige konkrete und abgesehen von einem Besuch im Wellenbad (war das dort?) ausschließlich negative Erinnerungen:
    -am Anreisetag mussten wir Nachhemdchen anziehen-unsere Schlafanzüge wurden weggeschlossen
    – die Unterbringung erfolgte in mehreren Schlafräumen, wir Geschwister wurden getrennt untergebracht.
    -Nachts durfte man nicht auf die Toilette
    Bei einem Strandspaziergang wurden uns Horrorgeschichten über “schwarze Männer” erzählt damit man sich dem Wasser nicht zu sehr näherte.
    Es gab Zwangsspielen in einem kleinen Gartengelände.
    Ich erinnere strenge und unfreundliche “Tanten”
    Mein Jüngerer Bruder hat nach der Kur eine ganze Zeit unsere Eltern nicht als solche erkannt,-erst als er unter der Eckbank im Esszimmer unsere vom Vater gebaute Legokiste entdeckte ist er zuhause “angekommen”
    Das Heim ist ein dunkler Fleck in meiner Kindheit an den ich seit längerer Zeit durch einen Besuch der Insel (ich war bisher nie wieder dort) Licht bringen möchte

  20. Ich war vom 15. Februar bis 29. März 1966 im Alter von sechs Jahren gemeinsam mit meiner Schwester, neun Jahre, im Nordsee-Kinderhaus Michelmann auf Wyk. Die ärztliche Aufsicht hatte Dr. Finke, die Inhaberin und Leiterin war Walburg Schlechtinger-Michelmann als staatlich geprüfte Schwester.
    Die Erinnerungen daran sind fürchterlich. Erbrochenes musste ebenfalls aufgegessen werden, beim nicht Einhalten von Regeln drohte die Übernachtung auf einer Holzbank im Umkleideraum, permanent gab es Schläge, wobei hier nicht der Verursacher bestraft wurde, sondern einfach jemand aus der Gruppe gegriffen wurde. Ich wurde geohrfeigt weil ich nicht gefragt habe, ob ich zur Toilette darf, usw.
    Ich finde lauter Hinweise von anderen Kinderkurheimen auf Wyk, aber nicht Haus Michelmann. War jemand auch zu der Zeit dort? Ich habe einen Prospekt mit vielen Bildern von diesem Heim. Ich plane noch in diesem Jahr, dort auf Spurensuche zu gehen. Ich würde mich auch riesig freuen, wenn sich Betroffene einmal für ein Treffen mobilisieren lassen würden.
    Eine öffentliche Stimme finde ich Wichtig und unterstütze dies.
    Ich freue mich von Euch zu hören.

  21. Ich war 3 mal im Marienhof in den 60iger Jahren und ich denke so gerne daran zurück..Meine Tante hiess Anne Wulle. Mechthild und Vera………Es gab ein vierer Zimmer und wir haben um die Wette Pfannkuchen gegessen.Wir waren oft am Strand und haben Sandburgen gebaut.Auch haben wir viel gesungen /aus der Mundorgel.Kurz und gut es war eine herrliche Zeit diese 3mal 6 Wochen.Der Heimleiter hiess Hr.Tietze und war sehr nett.Ich bin geboren 1952.Vielleicht meldet sich ja jemand bei mir.L.G. Hanne

  22. Ja- ich war auch im Sommer 1964 in diesem Schrecklichen Kinderheim zur Verschickung. Ich gehörte zu den Kindern die eine Verlängerung von 2 Wochen bekamen. Noch heute sind mir die Bilder in mein tiefstes Innere eingebrandt.

    Die Schilderungen von Euch kann ich nur bestätigen, die großen Schlafsäle, die grausamen Tanten. Ich hatte schlimme Hautexzemen deshalb hat mich eine Tante auf den Arm und ging mit mir ins Meer- bis zum Hals, – ich hatte Angst das Wasser war kalt- sie ging immer Weiter das Wasser ging mir bis zu den Lippen- ich schrie vor Panik hatte Todesangst- da tauchte sie mich unter- und ich schluckte das Salzwasser- danach habe ich nie wieder geweint.
    Arbeite erst jetzt die Dinge auf,sie liegen 50 Jahre zurück und ich bekomme heute noch Herzrasen, wenn ich das schreibe.

  23. Hallo,
    also ich wurde aus Stuttgart 1976 1977 ins Haus am Meer Wyk auf Föhr geschickt . Wegen meinen Lungen
    Es war ziemlich heftig . Wenn man in der Mittagspause geredet hat wurde man bestraft auch beim Essen geschlagen usw
    Es waren sechs heftige Woche finanziert von der Barmer Ersatzkasse wer war auch dort mit welchen Erfahrungen ? Gern angelika_hill@web.de Vielleicht können wir was machen . Was ist aus dem Haus geworden ??

  24. Ich habe als Erwachsener viele Jahre als Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung in einer großen Diakonischen Einrichtung gearbeitet und “wundere” mich, was die Erziehungsmethoden bis weit in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts betrifft, über gar nichts mehr. Alles, was hier am Beispiel der Wyker Kinderheime berichtet wird, war damals weit verbreitet und wird heute unter dem Begriff “schwarze Pädagogik” aufgearbeitet (ich erinnere nur an das Buch “Schläge im Namen des Herrn” von P. Wensiersky).

  25. Ohne Freude denke ich zurück an das DAK Kinderheim (ich glaube es war “Südstrand”), auf Föhr. Ich war 9 Jahre alt und sollte dicker werden, was wahrhaftig auch glückte, da man gezwungen wurde, alle Doppelportionen des nicht gerade leckeren Essens aufzuessen. Seitdem kan ich keine Mehlknödel mit Zwetschgen mehr runterkriegen, die waren einfach eklig. Wenn man nicht alles runterbekam, musste man allein im Essaal sitzenbleiben bis man fertig war und musste dann auf der Treppe sitzen, während die anderen Mittagsschlaf machten. Alle Briefe, die man nach Hause schrieb, wurden gelesen, damit man nichts Unvorteilhaftes schrieb. Das wurde dann nicht abgeschickt, glaube ich. Trotzdem waren die Tage, an denen wir schreiben durften, die besten.Es war Sommer, und wir gingen manchmal am Strand spazieren – doch erinnere ich mich nicht, im Wasser gewesen zu sein. Nein, das waren keine glücklichen und sehr lange 6 Wochen mit viel Heimweh!

  26. Hallo zusammen!
    Ich bin entsetzt was in diesen Kinderheimem in Wyk auf Föhr geschehen sein muß! Die Aussage von Hannelore Meyer vom 29. Mai 2016 entspricht viel eher dem, was ich etwa Mitte bis Ende der 60er Jahre erlebt habe. Ich selbst war 2x für 6 Wochen im Kinderheim Marienhof und es ist mir dort sehr gut gegangen! Es hieß, ich wäre “zu dünn”. Wir sind damals fast täglich am Strand gewesen. Haben auf dem Weg dorthin gesungen. Haben Sandburgen gebaut. Abends nach dem Zähneputzen (Zahnpasta mit Himbeergeschmack, ich vergesse es nie ;-)) im großen Bad saßen wir mit mehreren Mädels auf einem Bett und sangen wunderbare Volks- und Wanderlieder, die wir dort gelernt haben… Wir waren fröhliche und glückliche Kinder. Natürlich gab es nachts bittere Heimwehtränen! Aber keine einzige von uns war MEINES WISSENS jemals schlecht behandelt oder gar gequält worden!
    Ich glaube JEDES Wort der geschriebenen Berichte! Ich jedoch habe nur gutes dort erlebt! Das muß ich ganz klar sagen!!

    Heike Bentz
    August 2016

  27. Halloechen…
    ich hatte jahrzehnte lang gedacht, nur ich haette mit meinem verschickungsheim die “Ars.hkarte” gezogen…
    Es ist sagenhaft gut zu lesen, dass die meisten “Verschickungen” genauso graesslich, wenn nicht noch graesslicher waren.
    Ich war ’76 “dran”. 9 jahre alt. aufgrund des “hohen alters” (meine zimmergenossinen waren 9,11,12) behadelte man uns moderat.
    Die kleinen waren fuer jedes vergehen dran.
    Am ende erwischte es mich dann doch. die aufpasser entdeckten, dass ich keinen Rock mit hatte. So durfte ich die abschlussfeier auf einem tisch sitzend verbringen. Huebsch sichtbar fuer alle. in einer hose. Nach expliziter darstellung von den aufpassern, dass so was nicht geht.
    Mein Heim war nicht auf Foehr.
    Es war ein ex Nazi “Jagdhaus” in Weisel. Mit entsprechend geneigten Angestellten, wie mir so scheint.
    ich bin unsaeglich froh, dass da mehr sind, die aehnliches durchgemacht haben.
    Falls einer im “Jagdhaus dr staeckel”, Weisel war, wuerde ich mich ueber kontaktaufnahme freuen
    liebe gruesse an alle
    Stefanie

  28. Auch ich wurde als 6 jährige (1979), aufgrund von angeblichen Untergewicht, von Kiel, nach Föhr geschickt. Ich habe nur ein paar schreckliche Erinnerung aber bei dem Gedanken daran, ein ganz schlimmes Gefühl. Wir wurden auf Toilette eingesperrt, ich machte, ich denke aus Heimweh, ins Bett und musste dann im Raum der Erzieher, im Schaukelstuhl schlafen. Ich erinnere mich an das schlimme frieren. Es wurden Karten nach Hause geschrieben, in denen nichts von Vermissen o.ä. Stand. Ich wurde gezwungen Dinge zu essen, die ich nicht möchte und habe dadurch auch nicht zugenommen. Alles in allem habe ich nur ein Trauma davon getragen. Schlimm, dass man so etwas Kindern angetan hat!!!

  29. Ich bin heute durch Zufall auf diese Seite gestoßen. Ich wurde 1979 als 5jährige ins Jagdhaus Dr. Stäckel nach Wiesel geschickt. Ich kann mich Stefanie nur anschließen. Der Aufenthalt war die Hölle. Es gab eine Frau Netz (heimlich Spinnnetz genannt), die einem von dem, was man eh nicht mochte extra eine zweite Portion auftat!! Päckchen und deren Inhalt wurden verteilt (Süßigkeiten). Es wurden Karten nach Hause geschickt (wohlgemerkt – ich konnte noch nicht schreiben!), in denen gesagt wurde, dass es mir sehr gut gefällt!! Nicht ein Wort von meinem schrecklichen Heimweh!! Meiner Mutter wurde damals wochenlang gesagt, dass es das Beste für mich wäre, aber im Nachhinein hat meine Mutter das sehr bereut!! Es wäre schön, wenn ich Kontakt zu Stefanie aufnehmen könnte, aber ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie…

  30. Ich war im November 72 mit 6 auf Föhr (hatte meine Fibel mit und auf der Rückfahrt lag Schnee auf den Dächern). 900 km und 4 Wochen waren noch keine Dimensionen, mit denen ich umgehen konnte. Ich empfinde die Geschichte auch als Loch in meiner Kindheit, die mich zwar heute .nicht mehr belastet, aber alle paar Jahre mal wieder auftaucht. Ich bin nicht körperlich misshandelt worden, habe aber aufgrund demütiger Reinlichkeitsrituale dort meine sowieso noch wackelige Körperfunktionskontrolle wieder verloren. In der Mittagsruhe wurden regelmäßig Wäschekontrollen (= Suche nach schmutziger Unterwäsche zur Präsentation vor der Gruppe) von den „Großen“ (=10-12jährige) durchgeführt. Als ich weiter oben von dem Mädchen mit der Badekappe las, haben sich meine Haare hochgestellt. Ich habe das gleich mit einem Waschlappen versucht, und wollte ihn im Mülleimer verschwinden lassen. Dieser naturgemäß dilettantische Vertuschungsversuch wurde von den „Pädagogen“ auf echt kranke Weise „kriminalisiert“ und es wurde gedroht, alles der Mama zu erzählen. Ich erinnere mich, nachts panisch und stundenlang einen Urinfleck trockengerieben zu haben. Im Garten musste ich mal, es war aber verboten reinzugehen, und irgendwann lief es halt. Just in diesem Moment öffnete die Heimleiterin (eine kurzhaarige alte Krähe, die mit rauchiger Stimme immer „Hans im Glück kann jeder sein“ gesungen und mich höllisch geängstigt hat) die Verandatür, um sich an meiner Misere zu weiden und lautstark darauf aufmerksam zu machen (sie hatte mich wohl schon länger beobachtet). Den Rest der Kur verbrachte ich mit Spekulationen darüber, ob und was man meiner Mutter erzählen würde.
    Wieder zu Hause, verbrachte ich viele Monate in einer Art paranoidem Zustand, weil mir einfach Wochen fehlten und ich zeitweise dachte, das ganze Dorf hätte sich in meiner Abwesenheit gegen mich verschworen.
    Ich habe leider nur wenig räumliche Erinnerungen. Vielleicht kann jemand mit den folgenden Beschreibungen was anfangen und weiß, in welchem Heim ich war, weil ich mich da gerne noch mal umsehen würde. Das Hauptgebäude lag in einen parkähnlichen Garten, man musste unterirdisch durch einen halbrunden, schwachbeleuchteten Gang zum Speisesaal, der sich in einem Nebengebäude befand. In diesem Keller war auch eine Art Hausmeisterwerkstatt, in der Spielgeräte repariert wurden. Auf einem Nachbargrundstück war ein sehr gepflegter Irrgarten aus Hecken.

  31. Weil ich in diesem Jahr – nach 65 Jahren!! – Föhr besuchen will und immer wieder überlegt habe, warum nicht früher …. dieser Bericht spricht mir aus der Seele! Auch ich wurde mit
    6 Jahren “verschickt” wegen Heiserkeit, Atemwegsbeschwerden usw. –
    In Erinnerung geblieben sind mir Heimwehattacken, die zu Stubenarrest und Ausschluss aus schönen Aktivitäten führten, die die anderen machen durften, anstatt Tröstung und Anteilnahme zu erfahren!
    Schreckliche morgendliche Milchsuppen – zum Essen wurden wir gezwungen!!
    Danke für diesen Artikel und alle Kommentare – sie helfen mir sehr, diese kindliche, traumatische Erfahrung einzuordnen.
    ich war nicht allein!!

  32. Ich bin 1951 als Siebenjähriger für 6 Wochen in den Marienhof “verschleppt” worden. Leider (oder gottlob?) kann ich mich an besonders schlimme Details nicht mehr erinnern. Was mir dauerhaft im Gedächnis verbleibt, sind: strenge Schwestern in blau-weißen Trachten, befohlener Mittagsschlaf, ständige Traurigkeit und Gefühle des Verlassenseins, Buttermilchsuppen mit Graupeln uva. – kurzum: ein sehr negativ prägender Zeitraum, der bis heute unvergessen bleibt!

  33. Hallo,
    Ich war im Winter 1977 in einem Kindererholungsheim auf der Insel Wyk auf Föhr. Leider kann ich mich nicht mehr an den Namen erinnern. Ich war dort, und Gewicht zuzunehmen, denn man hatte den Verdacht, dass ich eine Lungenerkrankung habe. Dass wir oft draußen waren, kann ich mich nicht erinnern. Einmal hatten wir einen Spaziergang gemacht, da hatte ich nur Gummistiefel an. Ich kann mich erinnern, dass ich sehr gefroren habe. Wir sind am Strand spazieren gegangen und mein Stiefel blieb im Schlick hängen. Man hat mir nicht geholfen, den Stiefel raus zu ziehen, ganz im Gegenteil, ich wurde verlacht und musste ohne den Stiefel nach Hause gehen. Das Essen kann ich mich auch erinnern, dass ganz fürchterlich geschmeckt hat. Da ich zu nehmen musste, bekam ich immer eine extra Portion, die ich meiner Nachbarin zu steckte. Sie sollte eigentlich abnehmen. An den Mittagsschlaf kann ich mich auch erinnern und auch daran, wenn man abends im Zimmer geredet hat, dass man mit einer grauen Wolldecke im Flur sitzen musste . Die Tante hat dann entschieden, wann es genug war mit dem sitzen im Flur. Es war eisig kalt in den Fluren. Wir haben viel gesungen, daran kann ich mich erinnern. Lustig ist das Zigeunerleben- war ein beliebtes Lied, Das mit einem Text fürs Kinderheim umgestaltet war. Ich müsste mal überlegen, ob ich vielleicht noch eine Strophe hinbekomme.
    Was mir wirklich in schlimmer Erinnerung blieb, wenn man ein Päckchen bekam wurde das im großen Speisesaal gesagt. Ich erinnerte mich daran, dass mir meine Eltern ein kleines Paket mit viel Süßigkeiten geschickt hatten. Das Paket wurde geöffnet von den Tanten, dann dürfte sich jeder etwas rausnehmen und musste das Paket weiterreichen. Leider war das Paket leer, als es bei mir ankam. Ich kann mich noch erinnern, wie man mir sagte, wie toll es doch sei zu teilen. Ich habe nicht mal geweint. Wenigstens habe ich den Brief meiner Eltern bekommen. Ich habe nur ein einziges Foto aus der Zeit auf dem alle Kinder sehr gequält aussehen. 1977 war ich sieben Jahre alt und noch nicht in der Schule, eben wegen der Erkrankung. Und weil ich noch nicht schreiben konnte, haben wir keine Karte nach Hause schreiben können. Vielleicht war noch jemand zur gleichen Zeit wie ich in dem Kinderheim und hat Lust mit mir Kontakt aufzunehmen.

  34. Hallo liebe Leute,

    ich war 1955 als 8-jähriger in Wyk auf Föhr im Kinderheim Dr. Mohr. Unsere Betreuerin hieß Frl. Spielbrink (Lt. Fotoalbum)
    Am Strand befand sich eine hohe Metallspundwand, auf der riesig der Name des Kinderheimes stand. Ich hatte meine Box !! (einen Fotoapparat) dabei und mein Vater hatte mir noch einen anderen Fotapparat mitgegeben, mit dem dann die Betreuerinnen Fotos der ganzen Gruppe und vor allem von den 5 Jungs meiner “Bude” gemacht haben. Davon besitze ich noch 15 Fotos, natürlich eingeklebt.
    Ich habe solche schlimmen, verstörenden Dinge wie ihr dort nicht Maße erlebt. Ich kann mich aber sehr gut daran erinnern, dass einer unserer Jungs des öfteren nachts nicht “waserdicht” war. Den haben sie fertig gemacht und vor Allen kompromitiert. Wir haben ihn immer wieder aufrichten müssen. Und wir waren eine nette Truppe.
    Mir war des öfteren wegen des Essens schlecht. Sago hatte ich noch nie gesehen, geschweige gegessen. Regelrecht zum K….. ! Folglich habe ich auch nur ein paar hundert Gramm zugenommen.
    An der Spundwand ging eine steile Holztreppe an den Strand. Dort haben wir Burgen und Sandboote gemacht. Wattwanderungen durften nur die Größeren machen. Leid hat mir getan und sehr gelitten habe ich darunter, dass andere Jungs sich in der Stadt Schiffe im Laden als Andenken gekauft haben und ich kein Geld dafür hatte. Abends haben wir schon mal aus der Mundorgel zur Gitarre gesungen. Was ich noch erinnere ist, dass meine Mutter vorher zu Hause alle Kleidungsstücke mit Namensschildern versehen musste. Ansonsten haben meine Erinnerungen nur durch die erhaltengebliebenen Fotos bestand gehalten.

    Vielleicht war ja jemand von Euch auch in diesem Kinderheim ?
    Schöne Grüße an Euch – Klaus

    1. Es könnte sein, dass sich die schlimmsten noch aus der Nazizeit übrig gebliebenen Pädagogen in den 50er Jahren eventuell noch zurückgehalten haben, sich auch noch nicht so trauten, ihre alten Methoden wieder voll durchblicken zu lassen, alles, was ich aus demselben Heim ab 1960 eruiert habe, bestätigt all die schlimmen Erinnerungen, die überall in dieser Zeit gemacht wurden. Es kann sich aber auch um ein anderes Heim gehandelt haben. Das mit dem Fertigmachen eines Kindes, das bettnässt, ist aber schon schlimm genug, finde ich. In jedem Fall bin ich an den Bildern sehr interessiert, ich werde demnächst aus den Kommentierenden eine mailinglist zusammenstellen, zum gegenseitigen Austausch und eventuell auch gemeinsamen Treffen, Anja Röhl

  35. Hallo. Ich bin nicht ganz “zufällig” auf diese Seite gestossen. Schon seit geraumer Zeit habe ich Interesse daran gefunden, mehr über ein Kindersanatorium auf Föhr zu erfahren, denn ich habe dort 4-5 Monate(meiner Meinung nach) verbracht. Ich leidete an Lungendrüsentuberkulose. Das sollte dort kuriert werden.
    Es war 1949. Jahreszeit weiss ich nicht. Meine Mutter lieferte mich dort ab.
    Das erste, woran ich mich erinnere, war eine Ohrfeige. Ich sprach kein deutsch, denn bei uns zu Hause sprachen alle Plattdeutsch. Ich kannte nichts anderes, aber das hat man mir mit der Zeit ausgetrieben.
    Abends sollten wir in einer Reihe stehen, die Hosen herunterziehen und uns auf den Nachttopf setzen und urinieren. Es wurde nachher kontrolliert und der nichts gemacht hatte, der bekam eine oder mehrere Klatsche auf den Hintern. Alle mussten warten, bis der letzte fertig war. Wir bekamen zu wissen, dass wir nachts nicht auf die Toilette durften.
    Selbstverständlich sollten wir auch unseren Mittagsschlaf haben, wo alle mucksmäuschenstill sein mussten. Alle mussten die Augen schliessen und keiner reden. Wurde man unruhig oder “erlaubte” sich was zu sagen und es wurde bemerkt, kam einer der “Schwestern” und rollte denjenigen in eine Wolldecke mit Armen fest am Körper, so dass man sich nicht bewegen konnte. Vielleicht bin ich damals unruhig gewesen, aber ich leide heute unter Klaustrofobi und habe Alpträume deswegen. Ich gebe diese Erlebnisse schuld daran.
    Ein anderes Erlebnis sitzt bis heute in meinem Kopf. Es passierte während der Mittagsstunde. Wir lagen alle im Bett. Da kam der Arzt zu Besuch bei einem anderen Jungen. Was ihn fehlte, weiss ich nicht, aber ich vergesse nie, wie er eine Spritze aus seiner Tasche holte. Mehrere “Schwestern” hielten den Jungen fest. Der schrie aus vollen Kräften. Der Arzt gab ihn die Spritze. Von meinem Platz sah es aus, als bekäme er sie mitten in den Bauch. Keiner der Erwachsenden kam mit tröstenden Worten. Dieses Bild habe ich nie vergessen. Noch heute taucht es auf, wenn ich oder jemand anderer eine Spritze haben soll. Nicht mal im Fernsehen kann ich hinsehen.
    Ein anderes Erlebnis, was sich festgesetz hat, ist der Besuch meiner Tante (eine Schwester meiner Mutter). Ich durfte nicht mit ihr allein zusammen sein. Ich stand auf einem Balkon und sie stand darunter. So konnten wir miteinander reden. Ich weiss nur, dass ich fast die ganze Zeit geweint habe.
    Mein Genesungszustand wurde schlechter statt besser. Nach den vermeintlichen 4-5 Monaten wurde ich abgeholt und kam in ein Sanatorium in Dänemark. Hier war ich 7 Monate und kam geheilt nach Hause. Von diesen 7 Monaten habe ich nur gute Erinnerungen. Das hat mein Leben so geprägt, dass ich in meiner Kindheit und Jugend nur den einen Wunsch hatte, in Dänemark zu leben. Nach Schule und Ausbildung bekam ich eine Anstellung in DK. Das war 1967. Ich habe es nie bereut.

  36. Ich war ca. 1964 als 5-jährige für 6 Wochen zur Kur in Bad Oldesloe, angeblich wegen schwachen Bindegewebes – wie ich erst viel später erfuhr, unterzog sich meine Mutter in dieser Zeit einer Mandel-OP.
    Es war furchtbar, 6 Wochen waren für mich eine Zeitspanne, die ich in dem Alter nicht einordnen konnte, ich meine, dass ich auch nicht oft an zuhause gedacht habe, ich hatte zu viel Angst und als ich mit dem Bus wieder nach Hause kam, erkannte ich meine Eltern nicht mehr.
    Es muss im Frühjahr gewesen sein, es war für die Jahreszeit zu kalt, ich hatte keine warmen Sachen zum Anziehen mit, aber wir waren auch selten draussen im Garten und wenn, dann fror ich.
    Ich kann mich noch an den großen schmucklosen Schlafsaal erinnern mit Metall-Krankenhausbetten, an die Stille, die dort abends herrschte. Wahrscheinlich hatten alle so viel Angst vor den Tanten wie ich. Zuhause habe ich mir abends immer vor dem Schlafengehen die Nase geputzt, das Taschentuch kam unter das Kopfkissen. Nun hatte man mir aber keine Taschentücher eingepackt und ich habe das Bettlaken stattdessen genommen – als die ‘Tante’ das bemerkte, mussten sich alle Kinder in einem Halbkreis aufstellen und es wurde Ihnen gezeigt, was ich gemacht habe. Es war so beschämend. Zum Frühstück und zum Mittagessen gab es eine Vanillesuppe – eigentlich mag ich Vanillesuppe. Ich habe sie aber nicht herunterbekommen und übergab mich jeden Tag. Man packte mich am Kopf und ich wurde jeden Tag gezwungen, die Suppe mit dem Erbrochenen aufzuessen. Ich hatte schon als Kind vor den meisten Fleischgerichten einen Ekel, auch hier zwang man mich, das Erbrochene zu essen. Ich kann mich noch an eine Theateraufführung für die wir geübt haben erinnern, hier gibt es auch noch ein Foto von mir. Darauf ist auch ein kleines niedliches blondes Mädchen zu sehen, vielleicht 4 Jahre alt, die der Liebling aller Erzieherinnen war. Sie war die einzige, die mal gelobt oder freundlich angesprochen wurde, ich kann mich sonst nur an eine kalte Atmosphäre erinnern, ich habe dort auch keine Freundin gehabt.

  37. Hallo zusammen, mit großem Mitleid habe ich die Berichte gelesen. Schlimm, Kindern solche Dinge anzutun!!!
    Ich bin 1956 geboren und kam mit 9 Jahren zur Erholung nach Wyk. Es war ein Heim, in dem Kinder aus Kiel und aus Wiesbaden von der Firma Höchst bzw. Farbwerke Kalle hindurften. Nach den 6 Wochen hatte ich das Kieler Platt gut drauf…
    Wir hatten eine nette Tante namens Margot aus Bad Reichenhall. Ich erinnere mich auch an Fruchtsuppen (besonders mit Sago – uähh!) aus Aprikosen (ich habe noch nie Obst gegessen…) und aufgeweichte Cornflakes mit Zucker (eklig süß). Wenn ich etwas nicht essen wollte, gab es eben nichts, aber niemand wurde zum Essen gezwungen – schon gar nicht etwas Erbrochenes. Ist ja unmenschlich!!
    Pakete gehörten einem alleine, es musste nichts geteilt werden. Wir waren oft am Strand, wenn es auch im April zu kalt zum Baden gewesen ist. Wir haben einen Töpfer in seiner Werkstatt besucht (die sog. Sylter Spatzen habe ich heute noch) und ein Glasbläser kam sogar ins Haus.
    Meine ersten Worte an meine Eltern am Wiesbadener Bahnhof waren: “Wann darf ich wieder dahin?”
    Es tut mir wirklich sehr leid, dass es vielen von euch so schlecht ergangen ist.
    Herzlichst Susanne

    1. Sie waren in einem anderen Heim, es gab in Wyk viele, Ihr Heim war ein “Arbeiterheim” der Firma Höchst, die wurden von der Gewerkschaft aufgebaut, die waren reformpädagogisch ausgerichtet, die Nazis schlüpften bei den Kassenheimen, den kirchlichen Heimen und den städtischen Heimen unter.

  38. Hallo,

    durch Zufall – auf der Suche nach Bildern des Erholungsheimes, in dem ich damals war – bin ich gestern auf diese Seite gestoßen. Und ich bin entsetzt über all die schlimmen Dinge, die kleinen Kindern angetan wurden.

    Mir ist es allerdings ganz anders ergangen, und ich finde, auch DAS sollte hier erwähnt werden: ich war im Sommer 1966 (?) Im Kinderheim Marienhof, und ich habe die 6 Wochen, die ich dort verbracht habe, genossen. Beim Empfang im Haupthaus war mir zwar etwas mulmig – alles so fremd, niemand bekanntes, und die Kinder, mit denen ich angereist war, kamen in andere Gruppen. Aber dann wurde es eine herrliche Zeit: unsere Gruppe war gut zusammengestellt, wir waren oft am Strand, wo ich sogar das Schwimmen erlernte – ich als wasserscheuer Angsthase! Es wurde viel gesungen, gespielt, gebastelt – ich kann mich an geknüpfte Netze und emailierte Schmuckanhänger erinnern. Mit einem Mädchen aus meinem Schlafraum (6-Bett-Zimmer) hatte ich noch über 5 Jahre regen Briefkontakt.

    Es geht also auch anders – und ich dachte, auch das sollte hier erzählt werden – und sei’s zur “Ehrenrettung” “meines” Kinderheims Marienhof.

  39. Ich bin entsetzt und erschüttert! Kinder sind unser höchstes Gut! Was Ihnen allen in den Kinderkurheimen angetan wurde, ist einfach nur kriminell, folterhaft und gewissenlos! Ich schäme mich schon fast zuzugeben, dem Berufsstand der Erzieherinnen anzugehören. Anfang der 80er wurde ich mit einer Mitschülerin, im Rahmen meiner Ausbildung zur Erziehern, in ein Kinderkurheim nach Wyk auf Föhr geschickt um Einblicke in die unterschiedlichsten Arbeitsfelder zu erhalten. So wie sich Ihre Beschreibungen anhören (Wintergarten, Strandnah, usw.) könnte es sich um das selbige Gebäude handeln. Das Gebäude war sehr groß und in grauer “Vorzeit” musste es mal ein Hotel gewesen sein. In den 80er trug es den Namen soweit ich mich erinnere “Schloss am Meer”. Allerdings war es nicht das einzige Kinderkurheim auf Wyk. Meine Mitschülerin Uli und ich waren zwar recht unerfahren, aber auch uns sind einige Praktiken aufgestoßen. Ich erinnere mich an ein Kind mit heftigem Heimweh, es ließ mich nicht eher gehen, bis ich die Telefonnummer ihrer Eltern an mich nahm und versprach sie gut zu verwahren. Dass ich nicht anrufen dürfte, hatte ich dem Kind gesagt und die Kleine tat mir so leid, dass ich also wenigstens die Nummer an mich nahm. Dies kam schon sehr bald raus und ich bekam Ärger mit der Leitung (angestachelt durch die damalige Haushaltsleitung sie hieß glaube ich ?..Lamping oder ähnlich…)
    An den Namen der Heimleiterin erinnere ich mich nicht mehr. Bestätigen kann ich aber, dass Kinder die nicht schliefen in einem langen Flur auf einer harten Holz Bank sitzen mussten, bis sie wieder in ihre Betten durften. Auch gab es eine Lampe, die ein rotes Licht ausstrahlte (Notbeleuchtung). So genannte Zusatzesser bekamen vor dem zubett gehen einen Schokoladenriegel und Abnehmer mussten in einem separaten Raum Essen. Uli und mir fehlte dort ein warmer und herzlicher Umgang mit den Kindern. Das haben wir dann unerlaubter Weise auszugleichen versucht. Ein damals zwölfjähriges Mädchen ist mir noch heute in Erinnerung, Dulima war mit einer ihrer Schwestern, Tulia dort. Sie wich nicht von meiner Seite und nannte mich Ingelchen. Für die Kinder war es schon eine harte Zeit, nicht alles war ok, aber dennoch kein vergleich etwa zu den 50er Jahren. Leider muss ich gestehen, dass, auch heute, nicht überall der Umgang mit Kinder so abläuft, wie es gedacht ist oder sein sollte. Wer sich wie ich dagegen stellt, wird diskriminiert und gemobbt.
    Ich finde es richtig nachzuforschen und die Verantwortlichen zu belangen! Welchen Schaden diese Menschen angerichtet haben, der so viele von Ihnen nach so vielen Jahren noch verfolgt, ist unbeschreiblich hoch. Ich wünsche Ihnen allen von Herzen, dass Sie das erlebte verarbeiten können und sie erfolgreich bei ihrer Recherche sind. Sich dem Ganzen zu stellen verlangt viel Mut! Viel Erfolg und Alles Liebe! Ingrid

  40. Durch Zufall hab ich diesen Artikel entdeckt und konnte es zuerst nicht glauben. Das waren exakt meine Erfahrungen. Ich bin 1958 fuer 8 Wochen verschickt worden. Grund: Untergewicht bei der Einschulung. Es war eine traumatische Zeit.
    Einen Tag vor der Rueckfahrt wurden unsere Koffer vom Boden gebracht und uns wurde gesagt, dass es morgen nach Hause geht. Ich hatte vergessen wo das war und fragte die “Tante” wo das ist.
    Vieles in den 50iger Jahren hatte den Hauch des Nationalsozialismus. Hier warves mehr als nur ein Hauch.

    Vielen Dank,

    Rainer Maas

    1. Ich möchte beim ehemaligen Heimkinderverband eine Untergruppe: Verschickungsheime gründen, sind Sie dabei? Ich werde allen, die hier kommentiert haben,demnächst dazu eine mail schicken, vielen Dank für Ihren Beitrag!

  41. Ich war 1960 6 Wochen zur Erholung im Kinderkurheim Drenckhahn in St. Peter-Ording.Ich sollte zunehmen und wurde gezwungen immer 2 Teller abzuessen.Freitags gab es meistens Eintopf mit ekligen Petersilienstengeln.Die Erzieherinnen kontrollierten, ob die Teller abgegessen waren.Ich saß in der Nähe eines Heizkörpers und da ich immer kurz vor dem Erbrechen war,kippte ich den Rest,den ich nicht mehr geschafft hatte,hinter die Heizung.Als dies später bemerkt wurde, musste ich meinen Sitzplatz wechseln.

  42. Bin zwischen 1956 und 1963 drei Mal in das Hamburger Kinderheim “verschickt” worden. “Das tut Dir gut”, sagte meine Mutter, wenn ich nicht wollte. Mir tat es nicht gut!
    Zwei Namen werde ich nie vergessen: Frl. Kuchenbecker – sie war sehr freundlich und man durfte während der 2stündigen Mittagsruhe auf die Toilette. Der andre Name ist DIEDERICHSEN: – Wolfgang Diederichsen hat die Heimleitung 1956 übernommen unterstützt durch seine Frau Traute Diederichsen. Diesen Namen verbinde ich mit all dem Horror, den ich dort erleben musste.

    1. War es das Heim auf Föhr, was du da beschreibst? Wie hieß es? Man muss unbedingt in Bezug auf die “Verschickungsheime” etwas tun, Informationen zusammentragen und die Öffentlichkeit suchen!
      Ich werde mich bei Ihnen demnächst per mail einmal melden
      Anja Röhl

  43. Hallo, ich bin auch durch Zufall auf diese Seite gestoßen. Ich arbeite grade eine sehr toxische Beziehung auf, habe mich gefragt, warum ich mir hab Dinge gefallen lassen und stieß auf Gründe, die mit meiner Kindheit zu tun haben. Ich bin 58 Jahre alt, habe ständig Schuldgefühle, obwohl ich nichts getan habe….bin in eine Abhängigkeitsbeziehung geraten mit jemandem, der meine Defizite ausnutzen konnte……aber das alles würde jetzt zu weit führen.Mir sind Dinge aus meiner Kindheit wieder eingefallen, die mich zu dem Menschen haben werden lassen, der ich heute bin. Ich war ein sehr lebhaftes, aufgewecktes Kind…..meinem Vater zu aufgeweckt und ich wurde nach Borkum mit 10 Jahren in eines dieser “”Erholungsheime” geschickt, 6 Wochen lang. Es wurde von Nonnen regiert, Schläge bekam man für alles…..man hat sich nachts nicht getraut, sich im Bett umzudrehn. Man wusste, quitscht das Bett, setzt es Prügel. Die Milchsuppen…..der Geruch ist mir heute noch in der Nase und an meinem Tisch erbrach sich ein Kind jedesmal beim Essen, es spritzte auch in meinen Teller und ich musste es aufessen. Als ich nach 6 Wochen nach Hause kam, habe ich nur noch geflüstert und keinen Willen mehr gehabt.Es war die Hölle! Die Folgen sind ein Leben lang zu spüren, es ist einfach so! Zur Rechenschaft ziehen kann ich niemanden mehr, meine Eltern sind tot und ich habe diese ganze Angelegenheit auch sehr verdrängt. Es ist alles wieder hochgekommen beim aufarbeiten meiner frühen Vergangenheit. Ja, ich hätte nicht gedacht, das ich mal im Internet Leute finde, die diese Dinge auch erlebt haben…..sitze hier mit Herzklopfen, leichte Übelkeit und zittrigen Händen.Alles Gute euch!!!

    1. Es interessiert mich sehr, was Sie beschreiben, ich möchte alles sammeln und damit an die Öffentlichkeit gehen, man muss auch dies bekannt machen, Danke, dass Sie sich hier anvertraut haben,
      Anja Röhl

  44. Moin zusammen.
    Ich hatte vorhin ein Gespräch in dem es um den aktuellen Missbrauch von Kindern bei den “Domspatzen” ging und da fiel mir ein, dass auch ich mit verdrängten Erlebnissen aus meiner Kindheit aufwarten kann. Daraufhin habe ich mal den Ort meines Kindheitstraumas gegoogelt und bin auf diesen Artikel gestoßen.

    Ich war auch zur Verschickung auf Föhr. Im Februar 1977 bin ich von Dort nach Hamburg zurückgekommen, das weiß ich genau, weil der Rückreise Tag mein sechster Geburtstag war.
    Ich erinnere mich nur an einige Details, allerdings überwiegend aus der Beobachterrolle. Ob ich Angst oder, Heimweh hatte, geweint habe oder nicht oder paralysiert alles nur erduldete, an Namen oder Gesichter kann ich mich nicht erinnern.
    Im Gedächtnis blieb mir die fürchterliche Mittagsruhe, in der die Kinder, die sich nicht an die absolute Stille hielten, in Unterhemdchen zähneklappernd im eiskalten “Schuhraum” saßen, es war Januar und Februar. Da ich das Bild genau vor Augen habe, muss ich da wohl auch mindestens 1x gezittert haben, auch wenn ich mich bewusst nicht daran erinnern kann.
    Ich weiß noch wie mein Bettnachbar immer nur in sein Kissen weinte und nach seiner Mama wimmerte und wie ein anderer der regelmäßig sein Bett einnässte barfuß im Flur stehen musste.
    Meine Abscheu vor Roter Beete verdanke ich ebenso diesem Kinderheim. Ich wurde mit Untergewicht zum Aufpäppeln dort hin verschickt. Da ich mich aber stur geweigert hatte meine rote Beete zu essen erinnere ich mich noch an Stunden , die ich alleine vor meinem Rote Beete Schälchen im dunklen Speisesaal saß. Da ich aber standhaft blieb und vermutlich längere Zeit nichts vernünftiges zu Essen bekam, weiß ich noch, dass ich ab einem gewissen Zeitpunkt Sahne trinken musste, da ich anstatt Gewicht zuzunehmen wohl abgenommen hatte. Die Sorge der “Erzieherinnen” dass sie sich vermutlich hätten rechtfertigen müsse wenn ich noch magerer nach Hause gekommen wäre, war da wohl die Triebfeder .
    Beim Wiegen erinnere ich mich noch an einen eiskalten, zugigen Ort, vermutlich eine Turnhalle, in der wir nackt in einer Reihe standen und gewogen wurden.
    An Schläge oder Bettfesselungen kann ich mich nicht erinnern, aber die von mir aufgezählten Erinnerungsfragmente reichen aus, um zu verdeutlichen, dass dort auch noch Mitte der 70er Jahre Erziehungsmethoden angewendet wurden, die ehr an totalitäre Regime, als an eine aufgeklärte Gesellschfat erinnern.

  45. Sorry ob der vielen Tippfehler, aber ich war eben so perplex, dass ich 40 Jahren nach den 6 alptraumhaften Wochen auf diesen Artikel mit den umfangreichen Kommentaren gestoßen bin, da habe ich einfach wild drauflos getippt.
    Liebe Grüße,
    Andre´

  46. Ich bin auch mal “verschickt worden zur Erholung” leider weiß ich nicht mehr den Namen dieses Hauses. Haus Peters? Insel Föhr. Das muss 1972/73 gewesen sein. Für meine Zwillingsschwester und mich der blanke Horror 6 Wochen lang. Riesige Schlafsräume und wehe es hat jemand wegen Heimweh geweint. Kontakte nach Hause gab es nicht und wenn wir Postkarten schreiben durften wurden sie gelesen und sind nie abgeschickt worden. Pakete die wir von zuhause erhielten mussten geteilt werden ( früher wurden Süßigkeiten verschickt) wir waren viel am Strand und durften Sandburgen bauen und mit Muscheln verziehen aber ins Wasser durften wir nur ganz selten obwohl immer schönes Wetter war. 1x hatten wir einen schönen Ausflug nach Amrum gemacht ich glaub wir sind über das Watt nach Amrum gelaufen. Das Essen war schrecklich immer so’ne Milchsuppe und undefinierbares Zeug. Jeden Mittag wurde in einem ganz langem Gang Mittagschlaf gehalten und wehe man hatte die Augen nicht geschlossen. Wir hatten eine ganz liebe Erzieherin oder wie man damals sagte Tante, alle anderen waren richtig bösartig haben nur darauf gewartet das man einen Fehler machte. Als die 6 Wochen endlich rum waren und wir in den Zug Richtung Heimat gesetzt wurden war nur noch Erleichterung für uns. Als wir im Heimatbahnhof ausstiegen sind wir unseren Eltern völlig fertig und weinend in die Arme gefallen. Unsere Eltern wollten uns nur eine wunderschöne Zeit schenken und dann sowas. Wir wurden nie mehr verschickt. Ich litt jahrelang wenn ich an die Insel Föhr dachte, irgendwann hab ich das ganz verdrängt. Aber irgendwann kommt leider sowas wieder hoch. Ich war dann vor über 10 Jahren mal auf der Insel. Leider weiß ich nicht mehr wo wir dort waren ich habe nichts wieder erkannt. Ist eine schöne beeindruckend Insel. Vielleicht kann sich jemand noch an dieses Kinderheim erinnern?

  47. Hallo Anja,

    vielen Dank für die Einrichtung dieses Forums. Hier nun meine Erlebnisse:

    Im April / Mai 1965 durfte ich im „Hamburger Kinderheim“ in Wyk auf Föhr eine 6wöchige Verschickung als 9jähriger Junge erleben. Ein Schularzt hatte mir diese „Kur“ verordnet. Was ich dort erlebt habe, kann ich nur als „Kinderhölle“ bezeichnen.

    Wir wurden von den „Tanten“ (z. B. Frau März) vom ersten Tag an eingeschüchtert und angepöbelt. Geleitet wurde das Heim zu diesem Zeitpunkt von einer älteren, grauhaarigen Frau, die in einer Schwesterntracht herumlief. Von dieser „Schwester“ wurde ich während des Aufenthaltes einmal ins Gesicht geschlagen.

    Die 2stündige „Mittagspause“ mussten wir mit geschlossenen Augen und bewegungslos im Bett verbringen. Klogänge waren während dieser „Mittagspause“ und in der Nacht verboten. Aus dem Grund haben manche Jungen ins Bett „gemacht“ und wurden dann bestraft (z. B. im Klappbett im Bad die Nacht verbringen, stundenlanges Stehen im Flur usw.).

    Während der Mahlzeiten (das Mittagessen war zum „kotzen“) durfte nicht gesprochen werden, kleinste Übertretungen wurden sofort mit Strafen (z. B. Speisesaalverweis u. Einnahme des Essens allein auf dem Flur) geahndet.

    Geld, Süßigkeiten, Comics und Briefmarken, die ich von meinen Eltern mitbekommen habe, wurden sofort nach Ankunft von den „Tanten“ eingezogen. Eine Rückgabe dieser Dinge zum Ende der Verschickung erfolgte nicht. Briefe und Postkarten, die ich an meine Eltern geschrieben habe, wurden vor dem Versand von den „Tanten“ gelesen und „zensiert“.

  48. Ich komme gerade vom Föhr Urlaub und nutzte die Chance, in das Hamburger Kinderheim am Sandwall zu gehen um kurz mit dem Leiter zu sprechen.
    Ich war 10 Jahre alt, als ich 1978 dort war. An Foltermethoden
    Kann ich mich in der Art nicht erinnern, aber ich weiß, dass es eine harte Zeit war. Ich kam zum abnehmen hin.
    Jeden Tag mussten wir Gewalt märsche zurücklegen, einmal sogar die Insel umwandern (38km).
    Täglich 2mal duschen, zum Abschluss kalt (kurz).
    Das Essen war knapp bemessen, aber ok.
    Nachmittags gab es öfter eine leckere Karamelmilch.
    Herr Diederichsen war damals die Leitung.
    Ein Geschenk paket meiner Eltern kam sonderbarerweise nie bei mir an. Ich hatte starkes Heimweh, denn sechs Wochen fühlten sich für mich endlos an. Vielleicht ist es auch ein Symptom dafür, dass man von menschlicher Kälte umgeben ist? Ich habe aus der Natur Kraft geschöpft, die habe ich genossen.
    Eine Erzieherin arbeitet noch heute dort, seit 40 Jahren.
    Wir gingen öfter ins Heidewäldchen, ein kleines Waldstück
    , so schön.
    Ich fragte den Leiter ob es ein Archiv gäbe, wo man mal Bilder von früher sehen könnte.
    Ja, es gibt Bilder und sie hätten auch etwas vor in der Richtung, nur fehlt oft die Zeit es umzusetzen.
    Ich habe das Gefühl, dass ich bestimmt so manches verdrängt habe..
    Zum Beispiel leide ich seit meiner Kindheit unter Emetophobie
    ( Angst , Menschen beim Erbrechen zu sehen oder zu hören)
    Und bin mir ziemlich sicher, dass es im Zusammenhang mit dem Aufenthalt dort, steht.
    Gibt es noch jemand der 78 dort war?

  49. Sehr geehrte Frau Röhl,
    ich habe mich riesig gefreut, Ihre Seite gefunden zu haben – in der Vergangenheit hatte ich schon häufig nach etwas Ähnlichem gesucht.
    Auch meine Frau und ich haben – unabhängig voneinander derartiges erlebt.

    In meinem Fall war es so, dass ich 1963 im Alter von 9 Jahren nach Bayrisch Gmain bei Bad Reichenhall verschickt worden war.

    Ich war zu dem Zeitpunkt körperlich und geistig völlig gesund – in der Schule ein Überflieger, war allerdings psychisch sehr labil, war Bettnässer und stotterte.
    Soweit ich mich erinnere begründete der damalige Hausarzt “Dr. Pauls” aus Badbergen die sechswöchige “Kur” damit, dass ich zu dünn und zu klein sei.
    Mein psychischer Zustand schien ihn nicht zu interessieren.

    Ich lernte die Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes “Frau Mönnig” kennen, mit der meine Eltern Details zur Verschickung besprachen.
    Trotz meiner Kindlichkeit hatte ich schon damals das Gefühl, dass zwischen dem Hausarzt und dem Amt in irgendeiner Form ein Handel stattgefunden hat – ich weiß nicht, warum.

    Ich möchte jetzt nicht die Schilderungen der anderen Kommentatoren wiederholen, es schien überall das gleiche Muster zu sein. Auch für mich war es die reine Hölle – ich zog sogar eine Flucht nach Hause in Erwägung (mit 9 Jahren!).

    Mir liegt sehr viel daran, dass die Öffentlichkeit einmal erfährt, was damals passiert ist und dass die verantwortlichen Personen zur Rechenschaft gezogen werden – auch wenn man sie strafrechtlich heute nicht mehr belangen kann.

    Das Heim in Bayrisch Gmain hieß “Haus Sonnleitn”.
    Die Leiterin nannten wir “Tante Lucie”, zwei weitere Namen waren Doris und Angelika.

    Im Jahr 2000 habe ich das Heim noch einmal besucht, es ist eigentlich sehr schön – ein kleines Märchenschloss mit Fachwerk und Türmchen.
    Das Haus stand leer und war etwas verwahrlost. Durch ein defektes Fenster verschaffte ich mir Zugang.

    Im Inneren fühlte ich mich um 37 Jahre zurückversetzt: Ich sah die Schlafsäle, wusste wo mein Bett gestanden hatte. Ich erkannte alles wieder. Auch den Geruch und die Akustik.

    Im Waschraum gab es noch immer die vielen kleinen Waschbecken, an denen wir uns abends die Waschlappen tränkten – wir durften abends nichts mehr trinken.

    Oft hatte es zum Abendessen salziges Gebäck oder Biersuppe gegeben.
    Um unseren Nachdurst zu löschen, saugten wir nachts die Waschlappen aus.

    Im Jahr 2008 besuchte ich das Heim erneut – ich war unterwegs nach Österreich und konnte einfach nicht daran vorbeifahren.

    Mittlerweile befand sich das Heim jedoch in Privatbesitz und war nicht mehr zugänglich.

    Die Vorgänge von damals sind noch immer ein Trauma, ich denke noch sehr häufig daran.

    Ich würde mich freuen zu erfahren, wenn sich etwas Neues ergeben hat.

    Mit freundlichen Grüßen

    Lind

  50. Liebe Frau Röhl,

    vielen Dank für dieses Forum. Ich finde es sehr gut, dass wir unsere Erfahrungen mit den „Verschickungen“ hier beschreiben können.

    Hier nun meine Erlebnisse:

    Im April / Mai 1965 durfte ich im „Hamburger Kinderheim“ in Wyk auf Föhr eine 6wöchige Verschickung als 9jähriger Junge erleben. Ein Schularzt aus Hamburg-Altona hatte mir diese „Kur“ verordnet. Was ich dort erlebt habe, kann ich nur als „Kinderhölle“ bezeichnen.

    Wir wurden von den „Tanten“ (z. B. Frau März) vom ersten Tag an eingeschüchtert und angepöbelt. Geleitet wurde das Heim zu diesem Zeitpunkt von einer älteren, grauhaarigen Frau, die in einer Schwesterntracht herumlief. Von dieser „Schwester“ wurde ich während des Aufenthaltes einmal ins Gesicht geschlagen.

    Die 2stündige „Mittagspause“ mussten wir mit geschlossenen Augen und bewegungslos im Bett verbringen. Klogänge waren während dieser „Mittagspause“ und in der Nacht verboten. Aus dem Grund haben manche Jungen ins Bett „gemacht“ und wurden dann bestraft (z. B. im Klappbett im Bad die Nacht verbringen, stundenlanges Stehen im Flur usw.).

    Während der Mahlzeiten (das Mittagessen war zum „kotzen“) durfte nicht gesprochen werden, kleinste Übertretungen wurden sofort mit Strafen (z. B. Speisesaalverweis u. Einnahme des Essens allein auf dem Flur) geahndet.

    Geld, Süßigkeiten, Comics und Briefmarken, die ich von meinen Eltern mitbekommen habe, wurden sofort nach Ankunft von den „Tanten“ eingezogen. Eine Rückgabe dieser Dinge zum Ende der Verschickung erfolgte nicht. Briefe und Postkarten, die ich an meine Eltern geschrieben habe, wurden vor dem Versand von den „Tanten“ gelesen und „zensiert“.

  51. Sehr geehrte Frau Röhl,
    Ich war in der Kinderheilstätte Sonnleiten in Bayrisch Gmain in 1958 ungefähr und ca.14Jahre alt.
    Ich habe keinerlei böse Erinnerungen! Ja wir hatten Mittagsruhe aber wir älteren mussten nur Ruhe halten, leise beschäftigen. Wir hatten Bastelstunden in denen wir ein von uns ausgesuchtes Projekt bauen konnten. Dafür bekamen wir eine beschränkte Menge Material. Wir waren unterteilt in Gruppen ungefähr bei Alter.Einmal gingen wir ins Kino und auf Bergwanderungen. Bei Namen kann ich mich nur an Tante Marianne erinnern. Sie muss so um die 22 gewesen sein. Sie war von absoluter wärme und herzlichkeit!
    Ich kann mich nur an eine herrliche Zeit erinnern.
    Mit freundlichen Grüßen
    Hans A Koch

  52. Ich war erst Ende der 70er im Kinderkurheim Luginsland in Todtmoos. Ich war vier und ich habe auch diese Erinnerungen. Jede Nacht Terror durch die älteren Kinder im Schlafsaal, Bettnässen mit Isolation als Strafe, zum Essen gezwungen werden bis man bricht und dann den Rest trotzdem noch essen müssen. Und natürlich keinerlei Kontakt nach Hause, nur die Postkarten die die Erzieherinnen schrieben. Wenn ich da heut dran denke, ist es immer noch Angst und Dunkelheit und Ekel.

  53. Hallo Allerseits,

    alle paar Jahre googele ich mal nach Leidensgenossen und hier sind sie! Ich konnte mir nie vorstellen, dass ich ein Ausnahmefall war, wunderte mich aber, dass über die Misshandlungen in Kinderkuren nichts bekannt gemacht wird.
    Bei mir war es nicht Nord- sondern Süddeutschland, Kinderkurheim Wessobrunn bei Garmisch, damals ein Kloster, aber das Kurheim leitete die Caritas. Vor ein paar Jahren habe ich mal entdeckt, dass es auf der Webseite des Klosters ein Gästebuch gab mit vielen positiven, aber recht jungen Einträgen und ein paar wenigen älteren sehr vorsichtig negativ geschriebenen. Diese Leute schrieben fast alle von Verletzungen und Brüchen. Eine Frau hat etwas konkreter geschrieben, ich habe ihr persönlich geschrieben und sie erzählte mir von dem Grauen, dass sie dort erlebt hat. Diese Frau hat bis heute eine schlimme Sozialphobie und kann das Haus kaum verlassen. Das Gästebuch wurde entfernt, nachdem ich einen nicht ganz so zurückhaltenden Beitrag geschrieben hatte.
    Ich selber habe erstaunlich wenig Erinnerungen an die 6 Wochen Folter, obwohl ich sonst ein phänomenales Kindheitsgedächtnis habe. Man sperrte mich beinahe die ganzen 6 Wochen in den Schlafsaal, was ich gar nicht als schlimm empfinden konnte, weil ich dort wenigstens in Ruhe gelassen wurde. Ich hatte dubiose Krankheiten, wie eine Blutvergiftung, war ständig beim hauseigenen Arzt. Von diesen Besuchen habe ich eine glasklare Erinnerung, der Rest verschwimmt: Ich hocke in Embryostellung in einer Ecke des Raums, die Hände schützend über den Kopf haltend…
    Wer Mist baute durfte die Nacht ohne Decke auf einer Holzbank im Toilettenraum schlafen, auch das ging an mir nicht vorbei, da ich einmal vor Angst in die Hose machte.
    Essen gab es täglich das selbe: Suppe als Vorspeise, Salzkartoffeln, Kopfsalat mit essig-Öl-Dressing (mag ich bis heute nicht) und Fleisch als Hauptspeise, zum Nachtisch Pudding für die Dünnen, während die Dicken den Dünnen zusehen mussten. Ich hätte meinen Pudding so gerne verschenkt, ich gehörte zu den Mageren und musste essen, bis ich erbrach, während der Hauptdrachen der Erzieherinnen neben mir saß, manchmal stundenlang. Wenn ich erbrach musste ich den Suppenteller randvoll mit Erbrochenem in die Küche bringen ohne zu schlabbern. Die Küche war am Ende eines endlos langen Ganges… Einmal trösteten mich die Schwestern in der Küche, gaben mir Schokolade und sagten, das wäre nicht richtig, was man mir mir machte.
    Der einzige Trost waren die Briefe von zu Hause, die ich aber schnell nicht mehr beantwortete, weil ich nur schreiben durfte, wie schön es in Wessobrunn ist. Teilweise habe ich die Briefe heute noch, meine älteren Schwestern haben sich viel Mühe damit gegeben – vielleicht weil sie wussten, dass ich sie brauchte, sie waren selbst schon dort gewesen.
    Das sind die Erinnerungen, die ich noch habe, ich bin sicher, dass wesentlich mehr passiert ist und ich vieles verdrängt habe. Denn nach den 6 Wochen kehrte ich als seelisches Wrack nach Hause und sprach viele Jahre nicht mehr.
    Ich bin auf jeden Fall dabei, wenn es um Aufklärungen geht und vielleicht meldet sich ja mal jemand, der auch in Wessobrunn war.
    Übrigens war das Ganze 1975, da sollte das nationalsozialistische Gedankengut nicht mehr ganz so vorherrschend gewesen sein. Kinder foltern war trotzdem noch ein großes Hobby.

    1. Ich bin erschüttert, dass das noch 1975 so war, umso wichtiger, dass wir das Ganze in die Öffentlichkeit bringen, ich danke Ihnen sehr für diesen Beitrag und werde mich bei Ihnen melden!
      Grüße
      Anja Röhl

      1. Bitte unbedingt auf die mailadresse schreiben, die im Impressum meiner Webseite angegeben ist, nicht auf die web.de-Adresse, die ist veraltet, Danke!

  54. Bin ganz überrascht/überwältigt auf diese Seite gestoßen : Hatte wegen Aufarbeitung einiger dunkler Erinnerungen >Wyk auf FöhrVerschickung mit mir ist was falsch, oder ich war nicht gut bzw brav genug …
    Ich war erst knapp 5 ! – und vor der Einschulung nochmal diese langen 6 Wochen.

    Meine Eltern meinten damals wohl, das würde gut sein für mich sein als Großstadtkind: Natur, und frische Meeres-Luft (war oft erkältet) – naja.

    1. Ich würde mich freuen, wenn Sie noch konkreter beschreiben würden, was Ihnen Schmerzvolles angetan wurde, wir brauchen alle Informationen, da wir dann besser und konkreter die Öffentlichkeit auch über diese pädagogischen Verbrechen aufklären können.

  55. Hallo Anja,
    Wie schön, dass Du dieses Forum eröffnet hast. Ich dachte immer, dass ich die Einzige bin, die sowas durchmachen musste. Heute bin ich auf Deine Seite gestoßen und ich bin fassungslos, dass so viele Menschen ähnliches erleben mussten.
    Ich war ab 5.4.1968 für 6 Wochen im Haus Tanneck auf Wyk auf Föhr, hab am 25.4. meinen 6. Geburtstag dort begangen.
    Ich kann mich leider nicht mehr an alles erinnern, aber wenn ich an diese Zeit denke, dann sehe ich mich immer weinen.
    Vor der Verschickung nähte meine Mutter plötzlich Namen in meine Kleidung. Eines Tages wurde ich bei meinem Onkel ins Auto gesetzt – er war der Einzige,der damals ein Auto hatte- und am Bahnhof angelangt, wurde ich der fremden Frau im anhaltenden Zug entgegengehalten, die mich übernahm und dann schlossen sich die Zugtüren; der Zug fuhr los und meine lieben Menschen blieben auf dem Bahnsteig stehen, waren nicht mit im Zug. Da fing ich an zu weinen…. nach endloser Zeit wurde der Zug auf ein Schiff verladen…. ich weinte immer noch. Irgendwann sagte jemand zu mir, ich solle doch mal endlich aufhören zu weinen, es würde eh nichts nützen, jetzt käme ich sowieso nicht mehr nach Hause.
    Als nächstes erinnere ich mich daran, den Schlafsaal zu sehen. Ein großer Raum mit vielen weißen Gitterbetten. Für mich war das Bett zu klein und ich kam mir gefangen vor. Zwei Stunden Mittagsschlaf war der Horror, wir durften keine Bücher anschauen, es gab nix. Ich konnte nie schlafen; musste 2 Stunden in diesem Bett liegen.
    Nachts musste ich zur Toilette, aber wir durften ja nicht aufstehen. Ich bin dann über das Gitter vom Bett geklettert und hab mein Pipi neben mein Bett gemacht. Das musste ich am nächsten Tag unter einer großen Schimpftirade selber aufwischen und zur Strafe den ganzen Nachmittag im Bett bleiben.
    Essen mussten wir immer alles, mussten sitzen bleiben bis der Teller leer war.

    Ich war richtig unglücklich während dieser „Kur“ und seelisch hat sie mir so viel mehr geschadet als gesundheitlich genutzt. An vieles vieles vieles kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich hab noch den gesamten Schriftverkehr, Karten, meine Fahrkarte usw gesammelt in einem Ordner. Manchmal hole ich diese Sachen hervor und hoffe, mich an diese 6 Wochen erinnern zu können, aber ich hab diese Erinnerungen wohl in mein Unterbewusstsein verdrängt.
    Gut erinnern kann ich mich jedoch an den Tag als ich – oh Wunder- plötzlich wieder zu Hause war……. ich kam ins Haus- wahrscheinlich überglücklich- und wollte nur in Arme. Meine liebe Mutti hatte jedoch gedacht, ich müsste sofort meinen 6. Geburtstag nachfeiern und hatte meine besten Freunde/Freundinnen eingeladen, die am Tag meiner Rückkehr ruhig und abwartend vor der Geburtstagsbuttercremetorte mit 6 Kerzen um den Tisch rum saßen. Ich wollte von dem Ganzen nichts wissen und sehe mich heute noch auf dem Schoß meiner Oma sitzen und höre mich sagen : ich werd jetzt auch die Milch mit Haut drauf trinken…… aber schickt mich niemals mehr weg!
    Meine Mutter musste dann meine Freundinnen und Freunde heimbringen und ich blieb stundenlang auf dem Schoß meiner Oma sitzen geblieben…. umarmt und in Sicherheit.

    Meine Bezugserzieherin damals hieß Tante Inge. Ihre „tollen“ Karten an meine Eltern hab ich noch.
    Wenn Du magst, stelle ich Dir alles zur Verfügung.
    Danke für diese Möglichkeit, meinem Trauma aus der Kindheit Worte zu geben,
    Liebe Grüße
    Birgitt

  56. Hallo Anja, ich brauch schon gar nichts mehr zu schreiben, ich war mit meinem 2 1/2 Jahre jüngeren Bruder zusammen auf Sylt, Alles hier Geschilderte trifft zu, ich hatte es total verdrängt, es kam mir beim Lesen der Berichte wieder in das Bewusstsein. Ich kann alles voll bestätigen, mir wird kalt, wenn ich daran denke, heute bin ich 70 und schätze, daß es noch in den 50er Jahren war. – Meine Schwester, die 7 Jahre jünger war und leider schon verstorben, war auf Föhr, zur Zeiten der großen Sturmflut um den 17. Februar 1962 herum, damals war sie noch 6 Jahre alt. Liebe Grüße aus Bonn. Bernd

  57. Da ich erst 4 1/2 bzw 5 1/2 Jahre alt war, sind meine Erinnerungen verschwommen, und ziemlich düster (ich war 1968 und 1969 in Wyk auf Föhr, wenn ich richtig liege)
    – An eine Begebenheit erinnere ich mich aber recht deutlich:
    Auf dem Gelände, weiter weg vom Haus, hatten schon etliche Kinder “Tunnel” in einen Sandhügel gegraben (war verboten, dort zu spielen, aber dort erwartete uns Spaß und Freiheit statt Tristesse). Etwa in der letzten Woche meines Aufenthaltes krachte so ein Tunnel in sich zusammen, und begrub ein Mädchen unter Massen von Sand. Eine unserer Tanten kam und sie buddelte weinend und in Panik mit den Händen, das verschwundene Kind suchend. Ob ich mit gegraben habe oder zugesehen habe, stocksteif vor Schreck, kann ich nicht sagen. Aber da blitzte eine helle Strickjacke vor (hellblau oder lindgrün?). Und dann kam der Rettungswagen, und wir wurden weggeschickt. Was aus dem Kind (ich denk es war ein Mädchen, weiß es aber nicht sicher) geworden ist, darüber ist vor uns nie gesprochen worden. Aber ich weiß, ich überlegte damals schon, ob es wohl tot ist oder überlebt hat, aber keiner hat uns je was gesagt.
    > >>> ~~ das andere Jahr hatte ein Mädchen, es war etwas älter als ich, wenigstens 9 Jahre (?) einen Nervenzusammenbruch, sie weinte und schrie abends, lautes Wehklagen, bis ein Arzt kam, und ihr eine Spritze gab. Ob sie dann nach Hause geschickt wurde, weiß ich nicht genau, aber irgendwie glaube ich, sie musste bleiben.
    An sas strenge zum-Essen-zwingen erinnere ich auch, und wie ich mich mal so auf die leckere Nachspeise gefreut habe : Pfirsich aus der Dose – und igitt, dann war es sauer eingelegter Kürbis, und ich musste ihn unter Würgen aufessen…
    – wie gesagt, ich war noch recht klein, und meine Erinnerung sind ansonsten eher verschwommen, aber auf alle Fälle ging es dort sehr hart und streng zu, ich fühle “Kälte”, wenn ich versuche mich zu erinnern, und dass ich äußerst “brav” war, um keine Strafen zu erleiden und um nicht bloßgestellt zu werden wie z.B. die “Bettnässer”.
    Und dass sich das sehr tief eingegraben hat “Warum haben mich meine Eltern weggeschickt ?” -> mit mir ist was falsch, oder ich war nicht gut bzw brav genug …
    Ich bin froh auf diese Seite gestoßen zu sein, um die dunklen Erinnerungen einmal zu artikulieren und öffentlich zu machen. Was hat man uns Kindern damals angetan ? Den Eltern wurde ja vermutlich vermittelt, dort würde es uns bestens gehen !!
    Ah, und mir fällt noch ein : wir hatten für die Verschickung Taschengeld mitbekommen, um uns ein schönes Andenken zu kaufen – doch das Geld wurde uns abgenommen, und vor der Abfahrt bekam jeder ein Mitbringsel ausgehändigt : eine Miniatur-Eisenbahn aus Holz.
    Regine

  58. Ich war in dem Erholungsurlaub Heim Ruhpolding drei mal in den Sechziger Jahren fuer Gewicht zu zu nehmen fuer drei Wochen. Ich wurde dort hingeschickt von dem Kinderheim in Kaiserslautern. Das regiment war brutal, wandern jeden tag and mittag schlaff auch jeden tag ob müde oder nicht.

  59. Hallo Anja ,auch ich war glaube so Herbst 1972 in diesem Kinderheim Schloss am Meer .War damals 7 Jahre alt und es waren die schrecklichsten 6 Wochen meines ganzen Lebens. Habe jeden Tag nur geheult und wollte wieder nachhause.. Kann mich mehr an alles so genau erinnern oder habe es verdrängt. Bin ganz zufällig auf die Seite hier gestoßen und sofort lief mir ein Schauer über den Rücken,und einzelne dunkele Erinnerungen kamen wieder zum Vorschein:

  60. Hallo Frau Röhl ,bin durch Zufall auf Ihren Beitrag ,Hände hoch sonst bin ich verloren gestoßen.Auch ich war ,denke es war Herbst 1972 in einem dieser Kinderkurheime auf Wyk auf Föhr .Es war das Heim der Barmer Ersatzkasse Schloß am Meer.War damals sieben Jahre alt und kann mich nur noch dunkel an die Zeit in diesem Heim erinnern.Habe damals im Urlaub mit meinen Eltern durch eine verschleppte Mandelentzündung Rheumatisches Fieber bekommen und musste länger im Krankenhaus bleiben…. Danach hielten es meine Eltern und wahrscheinlich auch mein Kinderarzt ,es für eine gute Idee mich an die Nordsee zu schicken.Für mich waren die 6 Wochen der absolute Albtraum,habe nur geweint und wollte wieder nachhause.Woran natürlich nicht zu denken,jeglicher Kontakt wurde unterbunden.Selbst als ich eine riesige Platzwunde direkt über dem Auge hatte,die im Krankenhaus genäht werden musste,weil mich ein anderes Kind mit einen Holzbauklotz beworfen hat,bekam ich keinerlei Kontakt zu meinen Eltern.Das essen war grauenhaft und wir hatten irgendwann ständig Hunger.Die Betreuer hingehen hatten immer voll die leckeren Sachen,wovon mir manchmal was abbekamen,wenn wir „lieb“ bzw leise waren.Ich kann mich gut an den täglich mindestens 2 stündigen Mittagsschlaf erinnern ,wo ich mich meistens in den Schlaf geweint habe.Auch haben wir damals öfter ins Bett gemacht weil wir nicht aufstehen durften,was zur folge hatte das wir auf dem Boden schlafen konnten.Jedenfalls war diese Zeit in dem sogenannten Kinderkurheim der absolute Albtraum für mich.Vielleicht sollte ich noch erwähnen,das ich nicht so aussah wie die anderen Kinder damals,da meine Mutter zwar Deutsche war ,aber mein Vater Afrikaner.Bin Ihnen sehr dankbar für Ihren Beitrag,so weiß ich heute das ich nicht alleine mit meinem leid war.
    Liebe Grüße
    Stephan

  61. Hallo zusammen,
    bin seit gestern das erste Mal nach meiner Verschickung durch die Bamer 1972 wieder auf Föhr. Ich war damals 9 und sollte 6 Wochen lang im Kinderkurheim “Schloss am Meer” aufgepeppelt werden. Ich kam am Ende mit weniger Gewicht zurück als ich bei der Abfahrt zuhause hatte. Dazu war meine gesamte Kopfhaut mit Schuppenflechte übersät. Die bin ich seitdem nie mehr ganz los geworden.
    Vor einiger Zeit habe ich begonnen dieses traumatische Erlebnis mit der Methode von Clemens Kuby umzuschreiben, um damit die Folgen nach 45 Jahren zu heilen. Deshalb bin ich auch jetzt hier auf dieser wirklich schönen Insel. Inzwischen hat man das Kurheim in ein Appartmenthaus umgebaut. Trotzdem habe ich es heute sofort wiedererkannt.
    Viele der von euch beschriebenen Erlebnisse kommen mir bekannt vor. Einiges hatte ich offenbar verdrängt, doch beim Lesen war auch die Erinnerung wieder da.
    Wahnsinn, wie viele Kinder damals auf Kosten der Krankenkassen dauerhaft krank gemacht wurden.
    Anke

  62. Hallo liebe Anja,
    ich habe gedacht mich trifft der Schlag, als ich durch Zufall auf diese Seite gestossen bin. Mir wurde heiss und kalt. Ich selbst war 1962 im Alter von 6 Jahren fuer 7 Monate in diesem Kinderheim. Ich war an Hilusdruesen TBC erkrankt. In Berlin waren wir abends am Funkturm versammelt und dann gings los mit einem Reisebus. Auch ich hatte zuvor nur gehoert, dass ich verschickt werden soll. Dies loeste ein unheilvolles Gefuehl in mir aus .Es wurden Namensschilder in jedes meiner Kleidungstuecke eingenaeht. im Bus haben alle schrecklich geweint und sind dann irgendwann eingeschlafen. Im Kinderheim angekommen wurden wir alle gebadet und dies ging so streng ueber die Buehne, dass man grosse Angst bekam. An den grossen Schlafsaal erinnere ich mich auch, aber ich glaube, ich war nicht die ganze Zeit dort untergebracht. Die Tanten passetn auf und es wurde gedroht, dass wir in die dunkle Kammer gesperrt wuerden , wenn wir nicht still seien. Es gab sehr oft Milchsuppen, die schrecklich schmeckten. Ich dachte , ich sei von aller Welt verloren. Die Tanten fuehrten ein strenges Regiment. Es gab keine warmherzigen Worte. Ich habe mehrere Jahreszeiten dort erlebt. Wir waren auch am Strand im Sommer und da gab es glueckliche Stunden fuer mich. Der Winter war so hart mit sehr viel Schnee, dass die Faehre nicht fahren konnte und mein Aufenthalt dadurch verlaengert wurde. So wurde es mir jedenfalls erklaert. Es gab lange Wanbderungen durch dick verschneite Waelder . Weihnachten hatten wir alle Angst vor dem strengen Weihnachtsmann, denn mit ihm wurde uns auch reichlich gedroht. Ich glaube , es gab eine Zeit, wo ich einfach vergass, dass ich eine liebende Mutter hatte in Berlin. Ich habe mich meinem Schicksal ergeben. Ich war eine lange Zeit so traurig, dass ich immer Bauchschmerzen hatte und nur noch weinte. Die Tanten brachten mich dann zu einer Aerztin, sie war in einem anderen Gebaeude auf dem Gelaende untergebracht ,und sie sprach freundlich zu mir und streichelte mir den Bauch. ich fuehlte mich verstanden. Ich erinnere mich an lange Mittagsruhen aufgereiht auf Liegen auf einem langen Balkon. Wir durften uns nicht mucksen. Es gab regelmaessige Blutabnahmen , vor denen wir immer Angst hatten. Einmal sturzte ich von der erhoehten Strandpromenade hinunter auf den Strand. ich landete auf dem Ruecken und es tat schrecklich weh. Niemand kuemmerte sich darum. Wie durch ein Wunder kam meine Mutter gegen Ende des Aufenthaltes mich einmal besuchen. Ich konnte es nicht fassen und weinte ohne Ende vor Freude. Die Angst vor dem Abschied blieb die ganze Zeit bestehen. In meiner Erinnerung kommt es mir so vor, als ware ich nicht immer in selben Gebaeude untergebracht gewesen. Es fehlen mir viele Erinnerungen . Ich weiss auch gar nicht mehr , wie es war, als ich nach Berlin zurueckkam. So , jetzt habe ich viel erzaehlt. Bin ueberrasvccht, dass mir beim Schreiben wieder vieles eingefallen ist. Auf jeden Fall war der Aufenthalt in diesem Kinderheim auf Foehr ein Trauma fuer mich. Trozdem hege ich keinen grossen Groll. Meine Familie hat so etwas nicht vermutet. Meine Grossmutter in Berlin war Kinderaerztin. Sie hat das Heim fuer mich ausgesucht und dachte sie tue das Beste fuer mich.

  63. Hallo
    Ich stoße nach 50 Jahren an ein wohl schwieriges und sehr prägendes Kapitel meiner Kindheit: 4 Wochen Kur in Hirschegg im Kleinwalsertal. Es muss 1967 oder 1968 gewesen sein. Ich lese die obigen authentischen Berichte und finde mich in einigen Erfahrungen wieder. Weiss jemand um die Namen von Kurheimen in Hirschegg zu dieser Zeit? Ich möchte diese Spur aufnehmen und heil werden.
    horst

  64. War 1962 zur “Erholung” für sechs Wochen als
    Zehnjährige im Kinderheim Wessobrunn in
    Bayern.
    Einige schlimme Ereignisse konnte ich mein
    ganzes Leben lang nicht vergessen:
    + Trug mein halblanges Haar zum Teil mit
    einem kleinen Kämmchen hochgesteckt (war
    damals Mode bei kleinen Mädchen). Die
    Frisur hatte stets meine Mutter gerichtet und
    abends wieder ausgekämmt. Im Heim sollte
    ich das Kämmchen selbst entfernen, was mir
    nicht gelang. Die erboste “Tante” riss mich
    mit Gewalt an den Haaren, so dass ein ganzes
    Büschel mit herausfiel. Ich hatte tagelang
    Schmerzen

    + Einmal hatten viele Kinder kurz nach dem
    Mittagessen Bauchweh (verdorbene Mahlzeit ?)
    Einige, auch ich, mussten brechen. Trotz
    unseres kranken Zustandes wurden wir übel
    beschimpft und mussten sofort den Saal putzen

    + Es war Winter und bitterkalt mit hohem Schnee.
    Oft mussten wir wandern und die Kleineren
    hatten mit dem Schnee beim Laufen zu kämpfen.
    Ich musste austreten und habe die Tante davon
    unterrichtet. Bis ich die vielen Winterklamotten
    mit klammen Fingern wieder angezogen hatte
    waren die Anderen schon weit weg. Mühsam
    bin ich den Spuren hinterher gestapft und erst
    viel später bei der Gruppe wieder angekommen
    Selten hab ich mich so alleingelassen gefühlt !
    Die Tante hat mich dann auch noch angebrüllt
    wo ich denn bleibe. Mir sind vor Kälte die
    Tränen auf den Wangen gefroren.

    + Ab und an weckten uns die Schwestern nachts
    und wir mussten dünnbekleidet einem Gottesdienst
    beiwohnen

    + Das Schlimmste war für mich einmal ein
    Wannenbad. Die Tanten setzten immer zwei
    Kinder sich gegenüber in die trockene Wanne,
    drehten die Mischarmatur auf und kümmerten
    sich um die Nächsten
    Das Wasser war zu heiß eingestellt und wir
    kleine Mädchen kannten uns nicht aus (damals
    hatten noch nicht Alle ein modernes Bad)
    Aus Versehen drehten wir den Heißwasserhahn
    noch mehr auf. Die Wanne war zu hoch und wir
    konnten nicht hinaus. Wir brüllten wie am Spieß
    bis uns endlich jemand krebsrot rettete.

    + Es gab ein grosses Zimmer mit wunderschönem
    Spielzeug. Am ersten Tag durften wir kurz hineinschauen.
    aber nie darin spielen. Nach meiner Rückkehr zu den
    Eltern erhielten diese einen Brief aus Wessobrunn, wir
    Kinder hätten einiges Spielzeug zerstört und sie
    müssten anteilsmäßig soundso viel DM erstatten. Ich
    war mir keiner Schuld bewusst, aber wer glaubte
    damals schon einem Kind ? Heute bin ich davon
    überzeugt, dass sich jemand etwas dazu verdient
    hat…

    Es ist mir all dies noch lebhaft in Erinnerung, zumal ich
    mich vorher so auf meine erste große Bahnreise
    gefreut hatte und mich als großes Mädchen fühlte, so
    ganz ohne elterliche Aufsicht / Fürsorge…

    An irgendwelche Namen kann ich mich leider nicht
    erinnern.

  65. Oh ja, auch ich kann mich an schlimme Erlebmissen bei einer “Verschickung”erinnern.
    Das muss 1958 gewesen sein, ich war 8 Jahre alt—- das Kinderheim hieß Berghof und war irgendwo in der Nähe von Garmisch Partenkirchen. Es gab ausgesprochen sadistische Tanten, keine Gnade für heimwehkranke Kinder wie mich…ausgelacht , bloßgestellt , eingesperrt, einfach immer wieder zynisch seelisch fertiggemacht…
    Das ist mir auch erst grad wieder in Erinnerung gekommen….
    Liebe Grüße an alle die Anderen
    Brigitte

    1. Danbke für deinen Kommentar, es kommen so viele Kommentare, dass ich nicht schaffe, jeden zu beantworten, ich schicke euch demnächst einen Brief an alle, es sind schon weit über 90 Leute! Grüße, Anja

  66. Ich war 1985 im Kinderkurheim, Wyk auf Föhr am Sandwall. Es war glaube ich ein Hamburger Kinderkurheim. Schlimm fand ich das wenige Essen für alle. Betreuer hatten zudem nie eingegriffen, wenn Kleine Kinder von den größeren regelrecht geärgert wurden, sogar handgreiflich. Bei einem Spaziergang durch die Fußgängerzone, bekam unser Betreuer plötzlich einen epileptischen Anfall. Bilder, die ich nich vergessen werde. Wer war auch im Oktober 1985 dort auf Kur?

  67. Wessobrunn
    … da war ich auch, aber viel später. Es muss 1994 oder 95 gewesen sein und es war noch schlimm genug. Ich war zum abnehmen da, ich war bereits jugendlich und hatte den Aufenthalt selbst gewollt. Leider wurde so gut wie keinerlei ernsthafte Möglichkeit geboten, Sport zu betreiben. Gelegentlich gingen wir für 30 Minuten schwimmen oder es wurde auf der Wiese ein bisschen gekickt, manchmal ein Spaziergang gemacht. Mir war das immer viel zu wenig Bewegung (vielleicht, weil ich auch vom Normalgewicht nicht so weit entfernt war wie manch anderer). So flehte ich regelmäßig darum, im Hof ein paar extra Runden laufen zu dürfen, was eigentlich gar nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen zählte. Mir war sooo unendlich fad dort!
    Mittags gab es auch zu dieser Zeit noch eine ewig lange Mittagspause (2 Stunden?), in der man Ruhe auf dem Zimmer halten musste. Abends ging es dann wieder so früh ins Bett, dass ich oft nicht schlafen konnte, trotzdem musste das Licht ausgeschaltet werden und Ruhe gehalten werden. Und vormittags wurde man verwahrt: anstatt ein vernünftiges Angebot, konnte man Tag um Tag vormittags zwischen Frühstück und Mittagsessen Frühstücksbrettchen brennen oder Freundschaftsbändchen knüpfen… solche Sachen. Danach zwei Stunden Mittagspause und dann ein klein wenig Programm.
    Schlimm war auch, dass man nur wenig Telefonieren durfte, ich glaube, nur 1x/Woche für ein paar Minuten. Besuch durfte man keinen haben – zum Glück haben sich meine Eltern da einfach drüber hinweggesetzt, als sie mitbekamen, dass es mir dort nicht gut ging. Am Ende haben mich meine Eltern auch eher wieder abgeholt – unter den erbosten Drohungen der Leitung, dass wir den bisherigen Aufenthalt komplett selbst bezahlen müssten, wenn ich nun abbreche. Ich habe dort ganz neu einen Waschzwang entwickelt und leider für mein Thema gar nichts gelernt, zum Glück aber war ich als Jugendliche bereits stabil genug, hatte auch vernünftige Eltern. Sehr schlimm war es mitzubekommen, wie dreckig es den ganz Kleinen (ich glaube, bereits Vierjährige waren dort) erging. Sie weinten sich teilweise die Augen aus und wenn sie fragten, wann sie denn nach Hause durften, wurde ihnen gesagt “morgen” – auch wenn das Ende ihres Aufenthalts noch lange nicht absehbar war. Die waren völlig verwirrt, verängstigt, allein. Was für eine miese Zeit, was wurde diesen Kindern angetan.

    1. Danke für deinen Kommentar, ich sortiere und kopiere alles und daraus wird vielleicht ein Buch um diese Sachen öffentlich zu machen, ich schreibe euch alle nochmal gesondert an, Grüße Anja

    2. Nochmal zu Annis Bericht: Erstaunlich wie wenig refomiert es noch in den 90er Jahren war, wie das alte noch durchscheint, latent immer noch vorhanden ist, wie langlebig! Der offenen Brutalität ist nun die Gleichgültigkeit und reine Verwahrung gefolgt, ich beobachte das in der Praxis sehr häufig genauso, (bin an einer Erzieherfachschule Dozentin und Praxisbegleiterin) und die alten Methoden, wie Strafen androhen, aufessen und sitzenbleiben müssen bis man aufgegessen hat, usw., die werden noch immer eingesetzt und wo das alles nicht ist, ist doch übrig geblieben: Zickiger, aufpasslerischer Tonfall bei jedem Satz, weniger anregend, freundlich, als immer zurechtweisend, in merkwürdiger, Aggressionen überdeckender Art, immer so als habe man Angst, dass etwas mit den Kindern passiere, eine Art Übervorsicht, die sich in ständig gereiztem Ton niederschlägt. Kinder reagieren auf so ein Erwachsenenverhalten mit ständigem Wegrennen und Provozieren, da sie angewiesen sind auf ein anregendes, liebenswürdiges Minenspiel, auf Lachen, Freude, auf das Gefühl, das ihre Anwesenheit den anderen glücklich macht und ihm nicht nur Mühe bereitet. Wenn sie das Gefühl bekommen, sie machen nur Mühe, ihre Anwesenheit bei diesen Leuten ist denen nichts als Anstrengung, dann laufen sie weg, da sie das Gefühl nur Mühe zu machen als Liebesverlust empfinden und sozusagen dem Wunsch des Erwachsenen, sich von der Mühe zu befreien, unbewusst nachzukommen versuchen, indem sie wegrennen, vors Auto, vom Balkon runter, irgendwohin, einfach weg, leider reagieren dann die Erwachsneen mit noch mehr Ärger und “Vorsicht”, noch mehr Gemecker. Teufelskreis!

  68. Liebe Anja,
    zu schade, dass ich das Forum heute erst finde. Habe immer mal nach so etwas gesucht und recherchiert. Bin auch noch nicht so lange mit dem Medium Internet vertraut. Durch Kinder und Job blieb mir auch nichts anderes übrig.
    Habe vielfältige Erfahrungen gesammelt in einem Verschickungsheim an der Nordsee mit ca. vier Jahren und so glaube ich ein Jahr später mit fünf Jahren in der Eifel, was immer wieder hochkommt. Der Ort fällt mir im Moment nicht ein. Da wurde ich in den Kohlenkeller eingeschlossen, mir wurden die Hände hinter dem Rücken zusammen gebunden, als wir ein Glockenmuseum besucht hatten und einziges mehr. Heute klingelt die noch zu Weihnachten bei uns.
    Ich war ein sehr lebhaftes Kind und habe das auch zu spüren bekommen. Habe Schuldgefühle und bin häufig unsicher, was richtig oder falsch ist. Ich kam darauf, mal zu googeln, weil wieder so eine Unsicherheit hochkam, die ich kaum aushalten konnte. Ich muss bzw. will dann Gewissheit haben, ansonsten kreist das nur in meinem Kopf und ich kann nur schwer etwas anderes machen.
    Jetzt fühl ich mich auch wieder unsicher, weil ich denke, dass das nur bei mir war in dem Heim.
    Denn keiner im Forum hat über die Eifel geschrieben. Vielleicht gibt’s ja doch etwas darüber. Ich war jedenfalls in den 60ern dort.
    Über eine Rückmeldung freue ich mich riesig.Vielleicht bestätigt das alles.
    Liebe Grüße
    Marion

    1. Hallo Marion, ich formuliere gerade an alle Kommentatoren einen Infobrief, es haben hier über 90 Leute kommentiert, es gibt eine Archivstelle in Baden-Würtemberg, man kann auch mit Historikern nachforschen, Sie hören von mir über mail

  69. Hallo Anja, ich war im Februar 1962 in Wyk auf Föhr im “Haus Michelmann“. Ich war 10 Jahre alt und erinnere mich, dass ich sehr viel geweint habe, weil ich immerzu Heimweh hatte. Das durfte aber keiner sehen, sonst wurde man ausgelacht. Wenn nachts ein Kind nicht “brav“ war, gab’s Prügel mit der Holzpantine, die die “Tanten“ immer an den Füßen hatten.. Und zwar auf den nackten Hintern. Das kam so ziemlich jede Nacht vor. Dazu gehörte wohl auch nicht viel. Ich war davon verschont, weil ich vor lauter Angst tatsächlich sehr brav war. Morgens fanden wir des öfteren einen Jungen im Waschraum in der Badewanne vor, der da zur Strafe die Nacht verbringen musste. Umgekehrt mussten dann die Mädchen rüber in den Jungswaschraum . Morgens gab es meistens eine klumpige Haferflockensuppe. Aber manchmal auch Puddingsuppe. Die war lecker. Ich erinnere mich an “Tante Ingrid“ . Wir haben nach dem Frühstück immer gesungen. Z.B. “Wir lagen vor Madagaskar“. Vielleicht erinnert sich ja jemand daran? Liebe Grüße an alle damaligen Kinder

  70. Hallo Anja,
    melde mich nochmal, denn ich habe gestern vor lauter Aufregung vergessen was das für Heime waren. Hatte einfach drauf los geschrieben und war froh, das mal öffentlich zu machen, zu mindestens im eingeschränkten Rahmen. Apropos, wer bist Du eigentlich ? Habe das noch nicht rausgefunden. Eine Therapeutin, Schriftstellerin oder ähnliches.
    Jedenfalls war ich immer in einem, so wie ich das von meinen Eltern weiß, die leider verstorben sind, Postheim. Meine Mutter war damals bei der Post und die Kinder von Mitarbeitern durften so einen “Urlaub“ machen. Meine Mutter erzählte mir damals, dass sie sich blamiert habe, weil ich mich nicht benommen habe. Später bin ich dann auch oft aufgefallen, wurde gehänselt und fühlte mich hässlich und dumm.
    Ich habe auf jeden Fall noch ein Gruppenphoto aus, ich glaube Manderscheid; steht aber auf dem Bild hinten drauf.
    Wäre schön von Euch zu hören.
    Marion

    1. Wer ich bin? Eine Betroffene, ich war auch zweimal in Verschickungsheimen, habe darüber einen längeren Text, schon 2009, auf meiner Webseite, hier, geschrieben, auf den jetzt immer die Kommentare kommen. Ich bin freie Autorin und Dozentin an einer sozialpädagogischen Fachschule, ich arbeite freiwillig und ehrenamtlich daran, Licht ins Dunkel des Verschickungs-Kinderelends zu bringen. Denn das ist es für Tausende gewesen, die zT mit zwei bis vier Jahren schon, sicher auch schon früher, dafür gibts nur Filmmaterial, keine Augenzeugenschaft mehr, allein für Wochen von ihren Eltern getrennt, weggegeben wurden. Nicht weil die Eltern böse waren, sondern, weil man den Kindern etwas Gutes tun wollte. Aber oft war es eben nicht gut, was da geschah. Das zeigen die vielen traurigen Kommentare auf dieser Seite, aber auch andere Recherchen.

  71. Der heutige Artikel im Tagesspiegel hat mich sehr berührt und schreckliche Erinnerungen in mir geweckt.
    Ich war auch in einer so schrecklichen Kinderverschickung ca. 1962, da war ich 10 Jahre alt. Es war in Weilmünster im Taunus, wir hatten alle Angst vor den bösen ‘Tanten’ dort, sie waren Teufelinnen. Auch wir mussten in dunklen Ecken stehen, wurden ans Bett gefesselt, mussten Erbrochens essen und wurden vor versammelter Mannschaft gedemütigt.
    Meine Mutter hat mir kein Wort geglaubt als ich es später zu Hause erzählt habe, aber da ich anscheinend nach den 6 Wochen dort sehr verstört war, hat sie mir versprochen, mich nicht mehr allein wegzuschicken und hat das zum Glück auch eingehalten. Ich habe dann später noch viele schöne Ferienaufenhalte in Ferienlagern und bei Klassenfahrten gehabt, aber die Erinnerung an diese Verschickung hat mich nie verlassen.

  72. Heute erzählte mir eine Freundin, sie wäre gerade in Wyk auf Föhr gewesen. Ich sagte ihr, ich werde diese Insel nie im Leben wieder betreten.
    Ende der 50er Jahre wurde ich nach Wyk verschickt, in der Scheidungsphase meiner Eltern. Das einzige, was mir selbst in Erinnerung geblieben ist, sind die endlosen Nächte in einem riesigen Schlafsaal. Da ich unter schwerem Heimweh litt und man keinen Mucks von sich eben durfte, habe ich in den sechs Wochen einen kompletten Schlafanzugärmel ” aufgefressen “, wie mir später von meiner Schwester berichtet wurde. Sie hatte es von meiner Mutter erfahren, die aber nie, wohl aus schlechtem Gewissen, mit mir persönlich darüber gesprochen hat. Ich habe diese Zeit komplett aus meinem Gedächtnis gestrichen. Nur ein dunkler Schleier liegt über dieser Zeit. Ich war 4 Jahre alt und kann mich sonst durchaus an dieses Alter erinnern. Ich habe früher schon mal nach diesem Heim geforscht, aber nichts gefunden. Um so rtschütterter war ich, als ich jetzt diese Berichte lesen musste, die meinem diffusen Gefühl von damals Worte der Bestätigung gegeben haben.

  73. Hallo liebe Anja,

    das ist wirklich ein ungewöhnlicher Zufall (?) dass ich auf Deine Seite gestoßen bin.
    Ich habe noch gestern (wie bereits öfter) nach einem Kinderheim recherchiert,
    in das ich ca. 1951 für einige Wochen verschickt wurde.
    Ich hatte vor es noch in irgendeiner Form als Missbrauch in der Kath. Kirche zu
    melden.

    Bei mir war es Schwenningen am Neckar. Wahrscheinlich ein Haus eines katholischen
    Schwesternordens mit Kindergarten.
    Ich war damals ca. 5 – 6 Jahre alt, noch nicht in der Schule.
    Weil ich gut genährt aussah und vermutlich “brav und sehr angepasst war”, ging es mir wohl nicht so schlecht wie anderen Kindern.

    In diesem Haus mussten zu dünne Kinder vor dem Mittagessen einen Esslöffel Lebertran einnehmen. Dabei wurde ihnen oft die Nase zugehalten, damit sie den Mund aufmachten.
    Viele haben den Lebertran erbrochen (in den vollen Teller vor Ihnen). Sie mussten dann
    alles zusammen aufessen, und durften erst aufstehen, wenn der Teller leer war.

    Einmal hat ein Junge zu viel Zwiebelkuchen gegessen daraufhin Durchfall bekommen und es nicht rechtzeitig bis zur Toilette geschafft. Vieles war nicht nur in der Hose sondern auch auf dem Boden gelandet.
    Zur Strafe wurde er in eine kleine Toilette ohne Waschbecken eingesperrt und musste, so verschmiert wie er war, den Nachmittag verbringen.

    Geschlafen haben wir in einem großen Schlafsaal. Verschieden alte Kinder zusammen,
    auch kleine in Gitterbettchen. Wer nicht ruhig war, z. B. auch geweint hatte, wurde mit
    einem Kleiderbügel verprügelt.

    Die Ordensschwestern waren genau so schlimm wie die sogenannten (weltlichen) Tanten.

    Geschenkpakete wurden nicht ausgehändigt sondern sofort unter allen Kindern verteilt.
    Auch ich war betroffen und wollte mittels Obst oder Naschen sehnsüchtig etwas von
    Liebe meiner Eltern aufnehmen.

    Von meiner noch lebenden Tante (95 Jahre) wurde mir gesagt, dass meine Eltern es
    als besonderes Geschenk angesehen haben, dass ich 3 x verschickt werden konnte
    (mit 3, 5 und 7 Jahren). Dass sie nie darüber nachgedacht haben, dass es mir schaden könnte. Ich bin 1946 geboren.

    Vielen Dank Anja für Deine umfangreichen Recherchen.
    Ich werde auch weiterhin eine hoch interessierte Leserin sein.

    Liebe Grüße

    Gisela Dittert

  74. Hallo Nordsee ! Nordsee
    Ich bin 1957 geboren und mit 5 Jahren aus Lübeck dort (verschickt) gewesen.
    Nun ,nach 46 Jahren komme ich auf diese Seite ,und lese,das all meine Alpträume
    über wiek auf för …keine Träume! sondern erinerungen waren.
    können wir es damit abtun ! abhaken…das es früher eben so war ?
    Ich bin nachdenklich und zwiegespallten.
    Liebe Grüsse Thomas

    E

    1. Lieber Thomas
      Wenn die Alpträume hochkommen, ist das schmerzhaft, wenn man erkennt, dass das auch die Situation vieler Leidensgenossen war, dann wirkt das tröstlich, weil dann klar ist, nicht man selbst keine schuld hatte, man war weder böse, unartig oder anstrengend, sondern man war unschuldig eine ungerechten Realität ausgeliefert. Das muss an die Öffentlichkeit! Denn wenn man an uns sieht, wie lange diese Methoden und wie schwer traumatisch sie wirken, dann schärft sich ein Bewusstsein, dass man dies mit Kinderseelen nicht tun darf. Das ist wichtig für die Zukunft nächster Generationen, denn heute will man für abweichendes Kinderverhalten schon wieder oft nur die Ursachen im Kind allein sehen. Eine Tendenz, die aus dem medizinischen Bereich immer wieder in die Pädagogik hineingetragen wurde. Unsere Erlebnisse sind ein lebendiger Beweis dafür, dass es anders herum ist, schwere Neurosen und Probleme folgen, wenn man mit Kindern anregungsarm, autoritär-bestrafend, demütigend, aggressiv und vernachlässigend umgeht, wenn man sie früh von ihren Bezugspersonen wegreisst und mit kalten Menschen allein lässt. Daher ist es wichtig, unsere alptraumhaften Erlebnisse in uns hochzuholen und sie der Öffentlichkeit mitzuteilen. Auch hilft es dem eigenen Seelenfrieden, sich auszusprechen und angehört zu werden, also Mitgefühl in anderen Menschen hervorzurufen. Das heilt.

  75. Hallo…auch aus Lübeck und ich bin wie Thomas aus Lübeck 1957 geboren, bin allerdings im Alter von 10 Jahren “verschickt” worden. Ich bin auf diese Webseite gekommen, da im TV gerade ein Bericht von Whyk auf Föhr war und beim Ansehen des Berichts wurde mir übel und in meinem Körper vibrierte ich…jetzt beim Schreiben immer noch! Habe vieles verdrängt, hatte starkes Heimweh und viel geweint. Erinnern kann ich mich an die Ankunft. Es war ein langer dunkler Flur von dem links die geweiligen Zimmer abgingen. Diese waren unterschiedlich aufgeteilt, mal mit 3, 4 oder mehreren Betten. Es wurden dann die Kinder bestimmt, die zusammen dort wohnen sollten. ICH BLIEB ALS EINZIGE ÜBER…und da alle Räume belegt waren, kam ich ein 2 Bett Zimmer, wo die Tochter der Heimleitung untergebracht war. Die war ausser sich als sie das zweite Bett, was voll mit ihren Sachen belegt war, frei räumen sollte für mich. Das lies sie mich jeden Tag spüren, hat mir vieles in die Schuhe geschoben, damit ich die Schuld bekomme und bestraft werde. Sie war einfach nur garstig und hinterhältig, es war die Hölle und ich war ein stilles, ruhiges Kind, was sich nicht zu äussern wagte. Nach einiger Zeit bekam ich starke Ohrenschmerzen, wurde sehr krank, hohes Fieber, musste im Bett bleiben, wurde immer schwächer. Eines Morgens bin ich wach geworden und mein Kopfkissen war voller Eiter und Blut, aus meinem Ohr. Es wurde dann ein Arzt gerufen der feststellte, dass ich eine starke Mittelohrentzündung hatte und schnellstens gehandelt werden musste. Man setzte mich dann in den nächsten Zug, ein Telegramm wurde zu den Eltern geschickt, die mich vom Bahnhof abholen sollten, ich mit einem Schild um den Hals. Am Bahnhof wurde ich dann von der Mutter abgeholt und dann gings ins Krankenhaus, anschl. zur OP….gerade noch rechtzeitig, denn das Eiter war schon auf dem Weg ins Gehirn…… Das Positive daran war, dass ich nur ca. 4 Wochen im Kinder(erholungs)heim war….

  76. Hallo Anja,

    durch Zufall bin ich auf deine Seite gestoßen, da ich mich immer mal wieder ganz alleine an den PC setze und mir Bilder von meinem Verschickungsheim in Braunlage/Harz ansehe, mit der wohl minimalen Hoffnung, vielleicht doch mal etwas mehr zu erfahren. Nun war es soweit, und ich möchte dir sagen, das ich wahrscheinlich 1969/70/71 für 6 Wochen dort war. Ich versuche gerade, es genauer heraus zu finden. Vielleicht kannst du mir ja auch helfen. Sehr viele Erinnerungen habe ich leider nicht mehr. Ich weiß aber, das wir im Frühstückssaal morgens versalzenen Hagebuttentee trinken mussten und das ich die Hälfte meines Aufenthaltes im Bett verbringen musste, da ich krank wurde. Ich wusste nicht was es war oder bedeutete, aber mir vielen in diesen Wochen büschelweise meine Haare an mehreren Stellen auf meinem Kopf aus. Auch sind mir viele Zähne ausgefallen. Ich habe deswegen nur geheult. Den ganzen Tag über habe ich niemanden gesehen, soweit ich mich erinnere, kümmerte sich stundenlang niemand um mich. Ich habe aber große Erinnerungslücken. Zu Hause angekommen stellte unser Hausarzt fest, das ich Scharlach hatte und wohl ohne Medikamente und ärztliche Betreuung überstanden hatte. Deswegen auch der Haarausfall. Ich wurde monatelang dann ärztlich behandelt. Da ich bis jetzt noch nicht genau weiß, wann genau ich dort war, könnte das Ausfallen meiner Zähne auch an meinem Alter gelegen haben. Ich weiß es nicht. Meine Mutter lebt noch und ich werde sie weiterhin fragen. Leider kann sie sich angeblich an nichts mehr wirklich erinnern. Ich hoffe über dich und Leidensgenossen vielleicht ein wenig mehr zu erfahren. Ich war vor vielen, vielen Jahren mit meiner heutigen Frau kurz in Braunlage und habe das Heim gefunden. Ich musste aber nach wenigen Minuten diesen Ort verlassen. War jemand in Braunlage im Caritas Kinderkurheim Waldmühle? Vielleicht sogar zwischen 1969 – 1973?
    LG Uwe

    1. Lieber Uwe
      dein Bericht ist, wie viele der Berichte hier, erschütternd. Ich schreibe alles in eine Liste, dann schau ich mal, wer noch in Braunlage war. Ich habe eben erfahren, dass es Tausende von solchen Landerholungsheimen in Deutschland gab. Mal sehen, was ich noch anschieben kann, wegen der dringend nötigen Aufarbeitung, Grüße, Anja

    2. Weißt du, wie alt du ungefähr damals warst? Wäre super, wenn du das noch schreibst, Danke! Meiner Erfahrung nach war es für die Kinder, je kleiner sie waren, desto schlimmer, logisch!

  77. Hallo, seit längerer Zeit beschäftigt mich dieses Thema mit Wyk auf Föhr. Bevor meine Mutter 2016 gestorben ist hatte ich sie mehrmals nach dem Aufenthalt befragt, sie ist immer ausgewichen. Es muss vor meinem 6. Lebensjahr gewesen sein. Das war dann 1974 oder sogar früher. Kann mich nur noch an 2 Dinge erinnern: ich musste an einer Messe teilnehmen (mit Oblate und Wasser obwohl ich evangelisch war) und ich glaube dort ein Mobilé in Form eines Bienenstocks gebastelt zu haben. Bin mir aber nicht sicher. Sicher bin ich mir, dass es traumatisch gewesen ist. Meinem Vater vor kurzem dazu befragt kam spontan die Antwort: “Die haben uns erzählt, dass dir das gut tut und das wurde bezahlt.” Jetzt endlich bin ich hier auf dieses Forum gestoßen und nun habe ich Gewissheit. Erst vor wenigen Wochen hatte ich auf einem Seminar durch Zufall jemanden getroffen, der auch dort gewesen ist. Er meinte: “Diese Möhrensaft:” Und dann fiel es mir wieder ein, ich glaube wir mussten Literweise davon trinken. Er trinkt es heute noch und ich meinte, dass das nicht sein Ernst ist. Aber er kommt wohl nicht mehr davon los. Und jetzt weiß ich endlich woher ich diese unsäglichen Bauchschmerzen als Kind hatte. Das waren die Folgen von dieser Anstalt. Es gibt ein Foto, welches ich noch habe. Da sind wir alles drauf, die damals dort waren. Danke für diese Seite und danke, dass ich jetzt Gewissheit habe und dass ich das jetzt endlich für mich in Frieden loslassen darf…..

    1. Hallo Christian
      Bin stark an Fotos interessiert, wird bei mir in einer Kiste (plus PC-Ordner) gesammelt. Wird 100 % nur nach Rücksprache und mit Deiner/Eurer Genehmingung veröffentlicht. Du kannst mir Kopien davon zuschicken, wenn du magst, über meine mailadresse auf dieser Seite (Impressum)

  78. Hallo Anja, ich habe gerade diese Seite gefunden. Ich war Weihnachten 1962 zur Verschickung in Wyck. Da war ich 6. Zu der Zeit lebte ich mit meiner Familie in Braunschweig. Ich weiß nicht, in welchem Haus ich war. Ich weiß, dass es einen Vorhof und eine Heckenbegrenzung hatte. Vielleicht bin ich ein Verdrängungskünstler. Ich erinnere mich hauptsächlich an Angst wegen MÜSSEN. Man durfte nicht zum Klo gehen. Auf Ausflügen habe ich mir in die Hose machen müssen. Ich erinnere mich, dass ich verstört und irgendwie verändert zurück nach Hause kam. Ich war glaube ich 6 Wochen weg. Ich habe positive Erinnerungen an das Weihnachtsbasteln, Weihnachtsliedersingen, Gries- oder Vanillepudding.

  79. Liebe Anja!
    Im Jahre 1981 war ich mit 4 Jahren in Kur in Wyk auf Föhr.
    Meine Schwester war 8 Jahre alt,der Name vom Haus weiß ich nicht.Ich war oft Bronchienkrank das ich nicht alleine hin musste ging meine Schwester mit,das ich eine Bezugsperson
    Bei mir hatte.Ich erinnere mich,das ich aber nie zu ihr dürfte,habe deswegen sehr viel geweint.Hab immer in die Hose gemacht.Wurde dann dafür geschlagen und ausgelacht.
    Einmal erinnere ich mich,das mir wohl Papier in den Mund gestopft worden war,das ich ruhig bin.war auch mal nackt und wurde über den Flur gezerrt.erinnere mich dunkel,auch an die Betten im langen Saal.hatte so viel verdrängt.Hab bis heute mit den Folgen zu kämpfen,hatte nur Minderwertigkeitskomplexe bis heute,denk immer,Ich mach alles falsch,wusste nie was richtig oder falsch ist.Bevor ich etwas tat,schaute ich immer,ob jemand mich beobachtet oder schaut,ob Fehler mache.oft noch heute und das Verhältnis zu meiner Mutter ist bis heute gestört.ich wusste nie,warum das alles so war.jetzt kann ich es mir denken
    Zuhause,nach den 6 Wochen sagte meine Mutter,das meine Schwester wochenlang nicht mehr laufen wollte
    Sie stand unter Schock.Ich lachte nur noch selten.das Selbstwertgefühl ist bis heute gestört aber nachdem ich das alles gelesen hab.kann ich Dinge aus meinen Leben besser nachvollziehen.Ich sah ein Leben lang die Schuld bei meiner Mutter. Gerne bin ich bei dem Treffen dabei.
    Liebe Grüße,Melanie

    1. Danke für deinen ergreifenden Beitrag, ich informiere alle, wenn es was neues gibt und sich ein Treffen anbahnt. Wir wollen es in einem ehemaligen Heim machen, aber die heutigen betreiber mauern, wollen sich nicht mit ihrer Vergangenheit beschäftigen, haben Sie noch Bilder aus dieser Zeit oder Briefwechsel? Die meisten waren im Hamburger Kinderheim. Furchtbar, dass es auch 1981 noch so schlimm war!

  80. Hallo Anja, Fotos sende ich dir gerne zu. Darfst du gerne verwenden. Auch die Briefwechsel. Ich war in 2 Heimen. Das 2. war glaube ich echt schlimm. Stift in Passau. Alles Dunkel. Ich habe gestern mit einer sehr guten Therapeutin, mit der ich befreundet bin die Themen bearbeitet. In beiden Heimen ist jetzt Ruhe. Ich könnte mir vorstellen, dass wir das einmal für alle organisieren. Ich fühle mich deutlich befreit. Ich war 4 und 5 Jahre alt und habe scheinbar die Misshandlungen an den anderen beobachtet und gespürt. Selbst blieb ich wohl verschont, weil ich mich anpassen konnte. Aber anderen ging es deutlich schlechter. Als Kind fühlte ich mich hilflos, weil ich nicht helfen konnte. Alles Liebe für euch und danke Anja für dieses Blog. Christian

  81. Inzwischen habe ich weiter recherchiert. Ich war im Heim der HAPAG auf Wyk verschickt. Heute ist es ein Ferienheim der Deutschen Bundesbank im Fehrstieg 33.
    Ein Foto des Heimes aus dieser Zeit, 1959 oder 1960 und ein Foto mit Kindern am Strand sende ich Frau Roehlwar zu. Ich war damals 4 oder 5 Jahre alt, die Zeit der Verschickung liegt wie ein grauer Schatten über meiner Seele, auch wenn ich mich nur schemenhaft an Einzelheiten erinnern kann.

  82. Hallo Anja,

    vielen Dank für deine Rückmeldung. Ich habe meinen Bruder, der ja 3 Jahre älter ist, gefragt. Er glaubt, das ich noch nicht in der Schule war, oder maximal 1. Klasse. Also war ich 5 oder 6 Jahre alt, denn er war noch in der Grundschule, also höchstens selbst erst 9 Jahre alt. Meine Mutter befrage ich immer mal wieder, sie möchte aber nicht mit mir darüber reden. Das einzige, was sie ja zugeben musste, war, das ich mit kahlen Stellen auf dem Kopf zurück gekommen bin, und auch sonst in schlechter Verfassung war. Nur wegen der Äusserlichkeiten bin ich wohl zum Arzt gebracht worden. Meine psychische Verfassung war natürlich damals kein Thema. Ich habe im Internet alles was ich an Fotos des Heimes finden konnte gekauft. Eine Postkarte mit Aussenansicht des Heimes ( Darauf hat ein Kind namens Hans-Joachim einem Schüler Michael Tischmann in Celle einen Gruß geschickt). Ferner habe ich noch 7 Fotos (keine Postkarten) mit Innen- und Aussenaufnahmen kaufen können, die für einen Prospekt bestimmt waren.Darauf sind Kinder zu erkennen und auch hier und da Fotos der “Tanten”. Auf den Rückseiten hat jemand mit Namen Kiene unterschrieben und meist das Datum 78 per Hand aufgeschrieben. Auf einer anderen Karte steht das Kürzel “Lau 77” und die Anweisung, dieses Foto zu retuschieren. Ein anderes zeigt eine Innenaufnahme der Kapelle, die hinter dem Haupthaus stand. Es ist sehr schwer für mich, diese Fotos anzuschauen. Trotzdem sehe ich sie mir oft an. In meinem Innersten weiss ich warum. Vielen Dank. Liebe Grüße an alle hier im Forum. Uwe

  83. Ich war im April 1958 für 6 Wochen auf Borkum, im Adolfinen Heim.Da ich untergewichtig war, sollte dieser Aufenthalt dazu dienen an Gewicht zu zu legen.
    Es war eine furchtbare Zeit und ich habe diese ” Verschickung” bis heute nicht vergessen.
    Das Essen war teilweise entsetzlich, wobei ich im einzelnen nicht mehr weiß was mich zum übergeben brachte.Oft saß ich lange allein in dem großen Speisesaal weil ich nicht aufessen konnte, den Saal aber nicht verlassen durfte bis der Teller leer war. Für sprechen während des Essens gab es die berühmten Schlafkuren als Strafe. Da ich immer gern gesprochen habe, musste ich mehr im Bett liegen als mit den anderen Kindern draußen sein. Während des gesamten Heimaufenthaltes waren wir genau drei Mal am Strand, schön in zweier Reihen aufgestellt und wie die Soldaten hintereinander gehend. ich erinnere mich, dass wir nur zensierte Karten nach Hause schreiben durften. Als ich einmal weinend an meine Mutter schrieb, wurde die Karte vernichtet. Während des Heimaufenthaltes hatte ich Geburtstag und meine Mutter schickte mir ein Paket. Außer den darin befindlichen Kniestrümpfen habe ich niemals den weiteren Inhalt gesehen noch erhalten!
    Grausam war, wenn ich Nachts zur Toilette musste. Es war unter Strafe verboten, den Schlafsaal mit ca. 30 Betten zu verlassen. Hinter der Tür saß eine Nachtwache und passte auf, ich habe manche bittere Träne vergossen weil ich Angst hatte in das Bett zu machen. Es gibt viele, negative Erinnerungen an diese Zeit und ich weiß eines ganz genau, als ich nach 6 Wochen wieder nach Hause kam, sagte meine Mutter, das Mädchen ist nicht mehr die selbe?! Ich hatte mich stark verändert, war ruhig und ängstlich geworden!

  84. Ich was vier oder fuenf Jahre alt, als ich von der Barmer Ersatzkasse zum Schloss am Meer in Wyk auf Foehr verschickt wurde. Das war wohl im Sommer 1969. Ich erinnere mich an konstante Angst, bestraft zu werden fuer Nichtbeachtung unverstaendlicher Regeln. Nachts wurde bestraft, wer nicht schlief. Ich konnte vor Angst und Heimweh natuerlich nicht schlafen, und um den Tanten glaubhaft zu machen, dass ich fest schlief, schnarchte ich. Offenbar war das nicht ueberzeugend, denn die Aufseherin kam zu meinem Bett und schlug mir mit einem Stapel Buecher auf die Nase. Dann bedrohte sie mich mit mehr Pruegel um mein Weinen einzustellen. Nach ein paar Tagen schlich ich mich in der Mitte der Nacht aus dem Haus und lief ins Meer um mich zu ertraenken. Ich erinnere mich deutlich an die Wellen, die ueber mir brachen, aber ich wurde von der Brandung wieder an den Strand zuriueck geworfen. Ich weiss nicht, ob ich gefunden wurde oder ob ich von selbst wieder in den Schlafsaal zurueck fand. Meinen Eltern konnte ich natuerlich nichts davon schreiben – ich war noch zu jung, um zu schreiben. Von den Tanten war eine freundlich; sie hiess Sita (oder so aehnlich). Als ich nach meiner Rueckkehr meinen Eltern von meinem Selbstmordversuch erzaehlte, wurde ich ausgelacht. Man nahm an, dass ich mir das ausgedacht hatte.

  85. Ich habe es bisher vermieden, mich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ich habe auch die anderen Kommentare nicht gelesen bis jetzt und mich in Vielem wiedererkannt. Alles ist noch sehr präsent und reißt Vieles auf. Ich war das erste Mal mit 2 Jahren bis 3 1/4 Jahren in einem Kinderheim und habe noch sehr schlimme Alpträume darüber, was da passiert ist. Es gibt auch diverse Unterlagen und Briefe darüber. Insgesamt war ich so ca. 8 Mal weg bis zu meinem 18. Lebensjahr und das nicht nur Wochen, sondern über Monate immer und habe in mir 2 bekannten Heimen so viel Schlimmes erlebt, dass ich Vieles nicht aussprechen kann.
    Isolation, Misshandlungen, Missbrauch etc.

    1. Liebe Angela
      Ich war eine Weile krank und konnte deshalb jetzt erst freischalten. Schreibe nur, wenn es dir gut tut und hilft, gern kannst du mir persönlich schreiben, (mailadresse unter Impressum). Ich plane ein Buch mit Betroffenenberichten, um dem Thema mediale Aufmerksamkeit zu geben, ua auch, damit niemals vergessen wird, wie Kinder gequält worden sind und wie schnell das passiert, durch Verhältnisse, für die sie nicht können und an denen sie nicht schuld sind. Ich bin sehr interessiert an jeglichen unterlagen und Briefen, Fotos und allem. Ich werde dich und die anderen neuen Kommentierenden gemeinsam anschreiben und bitte dich, die Unterlagen aufzubewahren, sie sind unschätzbar wertvoll. Die meisten Verschickungskinder besitzen keinerlei Unterlagen mehr.

  86. Hallo!

    Ich habe diese Seite bei der Google-Suche nach dem “Schloss am Meer” in Wyk auf Föhr gefunden, und ich bin erschüttert, welche Zustände in Kinderkurheimen in den 50ern und 60ern geherrscht haben müssen.

    Ganz so schlimm ist es mir zwar nicht ergangen, aber meine Erinnerungen sind auch eher negativ. Ich war im Juli/August 1978 im Alter von 7 Jahren für 6 Wochen im “Schloss am Meer”. Aus medizinischer Sicht war die Kur sicher angebracht, denn ich hatte Neurodermitis, Asthma und häufig eine akute Bronchitis. Aber mit 7 Jahren zum ersten Mal von zu Hause weg, gleich für 6 Wochen und nicht gerade unter kindgerechten Bedingungen – das war schon ein einschneidendes Erlebnis.

    Die Kur sollte drei Wochen vor den Sommerferien beginnen, deshalb mussten meine Eltern eine Freistellung vom Unterricht beantragen. Ich war in der 1. Klasse, und irgendwann sagte die Lehrerin zu mir: “Du kannst deinen Eltern ausrichten, das geht in Ordnung, sie können dich verschicken!” Da wurde mir zum ersten Mal klar, dass da etwas Ungewisses auf mich zukam. Meine Mutter fing an, Namensschilder in sämtliche Kleidungsstücke zu nähen, und mein Vater brachte eines Tages einen kleinen, grünen Rucksack aus Kunstleder mit der Aufschrift “Barmer Ersatzkasse” mit, der als Handgepäck für die Reise gedacht war.

    Schließlich war der Abreisetag gekommen. Ich erinnere mich dunkel, dass mir irgendwie mulmig war, aber so richtig aufgeregt war ich wohl nicht. Mein Vater brachte mich zum Sammelpunkt nach Hannover, wo auf dem Bahnsteig schon diverse andere Kinder mit grünen Rucksäcken warteten. Mein Vater gab mir den guten Rat, ich solle mir gleich einen Freund suchen, damit ich nicht so alleine wäre. Das klappte auch ganz gut – ich freundete mich mit einem Jungen namens Hendrik an, der nicht ganz so schüchtern war wie ich. Auf der Bahnfahrt fiel mir auf, dass manche Kinder (vor allem wohl die älteren) das Ganze recht locker wegsteckten und sich auf ein Abenteuer freuten, während ich etwas verstört war und nicht wusste, wie mir geschah.

    Irgendwann gegen Abend kamen wir im “Schloss am Meer an”. Ich war in einem Zimmer mit 6 bis 8 Jungs untergebracht, alle ungefähr gleichaltrig. Das Abendessen war die erste große Ernüchterung, denn es gab Ravioli aus der Dose, die ich überhaupt nicht mochte. Ich weiß noch, dass ich danach zur Toilette ging, die ich erst mal suchen musste. Zum ersten Mal an diesem Tag war ich ganz allein. Ich kam mir total verloren vor und fing erst mal an zu heulen.

    Entweder noch am selben Abend oder am nächsten Tag wurde uns die Hausordnung des Kurheims verkündet. Für schlechtes Betragen gab es Strafpunkte. Diese Punkte wurden in eine Tabelle eingetragen, die im Flur hing. Für brave Kinder, die bis zum Ende der Kur weniger als drei (?) Punkte ansammelten, wurde ein Buchgeschenk o.ä. in Aussicht gestellt. Da ich mich für ein braves Kind hielt, war ich der Meinung, das schaffen zu können – aber am Ende hatte ich dann doch 12 (?) Punkte auf dem Konto. Einmal pro Woche (Freitagnachmittag?) gab es Ausgang, d.h. man hatte 1-2 Stunden Zeit, sich in der Fußgängerzone von Wyk die Füße zu vertreten und das üppige Taschengeld von ca. DM 1,50 für ein Comicheft oder ein Eis auszugeben. Während des Ausgangs jeweils ein älteres Kind auf ein jüngeres aufpassen. Wenn man in der jeweiligen Woche zu viele Strafpunkte gesammelt hatte, wurde das Taschengeld gesperrt.

    Gleich am Tag nach der Ankunft musste im Wintergarten eine Postkarte an die Eltern geschrieben werden – das wurde so angeordnet. Ich glaube, es gab jede Woche einen festen Termin, an dem geschrieben werden musste. Und natürlich wurde drauf geachtet, dass man nichts Negatives schrieb. Zum Glück bekam ich ziemlich viel Post, ein großer Teil davon existiert noch. Meine Eltern hatten wohl alle meine Freunde und die Verwandtschaft angestachelt, mir zu schreiben, und sie erinnerten mich in ihren Briefen auch immer wieder, dass ich allen zurückschreiben sollte. Ich glaube, es war ein großes Glück, dass ich schon relativ gut schreiben und fließend lesen konnte – wenigstens auf diese Art blieb der Kontakt zur Heimat bestehen, denn Telefonate und Besuche waren ja von der Heimleitung verboten worden (das haben meine Eltern mir später erzählt). Regelrecht schockiert war ich über den Umgang mit Päckchen und Paketen. Man bekam nur Spielzeug und den beiligenden Brief ausgehändigt; Süßigkeiten wurden unter allen Kindern aufgeteilt. Wahrscheinlich sollten damit Neidgefühle vermieden werden, was auch irgendwie logisch ist, aber für mich als Kind war das ein Eingriff in meine kleine Privatsphäre, denn es war ja etwas Besonderes, ein Paket zu bekommen und auszupacken. Einer meiner Zimmergenossen hatte schweres Asthma und starkes Heimweh. Er hatte von seinen Eltern eine Art Adventskalender mitbekommen, den er sich übers Bett hängte.

    Die Erzieherinnen (ich weiß nicht mehr, ob wir sie “Tante” oder “Schwester” nannten) waren unterschiedlich streng – die älteren wohl strenger als die jüngeren. Ich meine mich zu erinnern, dass der “Hausdrachen” Gertrud oder Gudrun hieß. Allerdings machten sich die größeren Jungs durchaus über sie lustig, also kann es mit ihrer Autorität nicht so weit hergewesen sein.

    Wenn man etwas ausgefressen hatte, musste man nachts im Flur auf einer harten Bank schlafen. Allerdings wurde man irgendwann nach dem Einschlafen wieder ins Bett zurückgetragen. An eine strenge Mittagsruhe oder an ein Redeverbot beim Mittagessen (wie hier von einigen geschildet) kann ich mich nicht erinnern – das muss aber nicht unbedingt heißen, dass es das nicht gab. Auch an die Qualität des Essens habe ich keine konkrete Erinnerung. Toll kann es aber nicht gewesen sein, denn nach der Kur hat sich meine Mutter erschrocken, dass ich noch dünner geworden war. Ich weiß nur, dass wir uns immer auf den Sonntag gefreut haben, weil es da anstatt des verhassten Früchtetees “Brause mit Geschmack” zum Mittagessen gab – und Eis oder Pudding zum Nachtisch.

    Das Heim hatte einen eigenen kleinen Strandabschnitt, der daran zu erkennen war, dass er völlig kahl war, während rechts und links davon bunte Strandkörbe standen. Das Wetter war zeitweise ziemlich schlecht, deshalb wurden wir in Gummistiefeln und Friesennerzen rausgeschickt, um im Schlick zu buddeln. Ob wir auch ins Waser durften, weiß ich nicht – ich glaube aber nicht. Dafür waren wir mehrmals im Wellenbad. Ansonsten habe ich die gesamte Kur (bis auf den wöchentlichen Ausgang) als ziemlich langweilig und trostlos in Erinnerung. Meinen Eltern habe ich geschrieben, dass wir im Zirkus waren, und dass einmal ein Zauberer da war – aber wirklich erinnern kann ich mich an diese “Events” nicht.

    Ein Highlight war noch das Abschiedsfest, das man sich als eine Art Kinderdisco im Speisesaal vorstellen kann. Ich weiß noch, dass ich total froh war, mal wieder Musik zu hören (u.a. “Rivers of Babylon” von Boney M. – ein Song, den ich nach 6 langen Wochen wiedererkannte!), denn ansonsten hatten wir wohl keinen Zugang zu Radio und Fernsehen.

    Am Abreisetag blieb ich vormittags als Letzter im Heim zurück, während alle anderen Kinder schon aufs Festland gebracht wurden. Meine Eltern hatten nämlich beschlossen, mich abzuholen, weil sie in der Nähe von Föhr Urlaub gemacht hatten. Während ich wartete, durfte ich mit den Erzieherinnen in deren Pausenraum frühstücken, und plötzlich waren sie viel netter und verständnisvoller als vorher. Weil mir langweilig war, half ich dann sogar nach freiwillig dabei, die Zahnbürsten im Waschraum auszuwechseln.

    Mit der Hygiene hatten es die Erzieherinnen wohl insgesamt nicht genau genommen – die Socken wurden nur einmal pro Woche gewechselt, und in den gesamten 6 Wochen habe ich nur zwei Waschhandschuhe benutzt, die dann so starr vor Dreck waren, dass meine Mutter sie gleich mit spitzen Fingern in den Müll beförderte.

    Als meine Eltern mich dann schließlich abholten, waren wir uns erst mal richtig fremd. Und ich verkündete drei Dinge, die dann später im Familienkreis immer wieder erzählt wurden: dass ich “nur” elfmal geweint hatte, dass ich nie wieder zur Kur wollte, und dass ich mir meine Frühstücksbrote jetzt auch allein schmieren konnte – das hatte ich nämlich schnell gelernt.

    Fazit: Das alles war längst nicht mit den Zuständen in den 50ern und 60ern zu vergleichen, aber mir hat es damals trotzdem gereicht. Ich hatte ein Riesenglück, dass ich schon relativ gut lesen und schreiben konnte – durch Briefe, Postkarten, Bücher und Comichefte hatte ich eine Rückzugsmöglichkeit. Wäre ich ein halbes Jahr früher verschickt worden, dann wäre ich wohl vor Heimweh eingegangen.

  87. Seltsam, diese Seite zu finden. Ich habe gar nicht bewusst danach gesucht und dennoch wüsste ich nur zu gern, was das für ein merkwürdiges Heim war, in dem ich … vielleicht 1966 (?) für einige Wochen war. Mein kleiner Bruder war gerade geboren und wir Mädchen 3 (ich) + 4 (meine Schwester) hatten Keuchhusten. An die See! Reizklima! so hieß es. Was es für die Gesundheit wirklich bedeutete und ob es wirklich die Heilung beschleunigte,weiß Niemand. Was es für die Seele eines kleinen Kindes bedeutete, das wissen nur die Kinder selbst. Irgendwie hat man das überlebt, aber die Gedanken an eine kalte, unfreundliche Zeit, bleiben für immer. Es war winter oder Herbst. Meine Gefühle waren die einer großen Ungerechtigkeit uns weg zu schicken, genährt durch viele kleine Ungerechtigkeiten im Umgang mit den Kindern. Dazu kam Einsamkeit und Heimweh… und natürlich auch Angst. Meine Schwester und ich wurden getrennt. Ich weinte nach ihr, aber die “Tanten” waren unbarmherzig. Wir waren in einem langen Schlafsaal mit Betten, die nebeneinander standen. Man kam durch einen Aufenthalts- und Speisesaal hinein. Rechts neben der Tür war eine Toilette. Altbau mit hohen Decken. Einmal musste ich Nachts auf diese Toilette und zur Strafe wurde ich dort eingesperrt. Die Tante warf mir aber noch meine Bettdecke hinein. Mit dieser verkroch ich mich auf die Fensterbank, schaute in den Nachthimmel und sag lauthals “Weißt Du, wieviel Sternlein stehen”. Bis sie mich entnervt befreiten. Aber nicht ohne “Klaps” auf den Hintern. Glücklicherweise hatte ich meinen kleinen Teddybären mi dem rot-weißen Hahnentrittmuster, der wichtigster Trost ever war. In einer der folgenden Nächte passierte mir das wieder und – statt mich auf die Toilette zu schleichen – machte ich der Nachbarin in die Hausschuhe. Sie hieß Maibritt. Daran erinnere ich mich gut, weil ich den Namen vorher noch nie gehört hatte und immer dachte sie hieße “Mai-Brett”, was mir Kopfzerbrechen bereitete. Der Alltag war streng durchorganisiert. Es gab auch die täglichen kalten Duschen zum abhärten, was ich als Folter empfand und immer noch so empfinde. Etwas leichter wurde es, wenn ein “Onkel” da war, der mit uns spielte. Ich lernte Elefanten aus Knete zu machen. Und wir bauten einen Drachen. Bei einem Spaziergang sahen wir einen toten Kugelfisch. Dieser junge Mann war irgenwie freundlicher, als die Anderen. Dennoch blieb der Trennungschmerz. Zu wissen, dass meine Schwester auf der Anderen Seite des Saales war. Einmal trafen wir uns kurz und meine Schwerter flüsterte mir zu, ich solle krank werden. Das tat ich dann. War nicht so schwer, weil wir sowieso nicht ganz gesund waren. So kam ich auf die Krankenstation im Souterrain. Dort war es dann besser. Nette Menschen, leckeres Essen, viel Pudding…und meine Schwester 🙂 … Da blieben wir (glaube ich) bis zum Ende dieses Aufenthaltes am Meer, bei dem ich vielleicht ein- oder zweimal das Meer sah. Ich freue mich, wenn ich irgendwann dieses Pussle zu einem Bild formen kann, damit ich es zu den erledigten Akten der Erinnerungen legen kann. Danke fürs Lesen.

  88. Hallo,
    bis zu meinem 6. Lebensjahr war ich drei mal bei so einer Verschickung. Immer mit meinem Bruder. An das erste Mal in der Nähe von Daun in der Eifel (vermutlich Burg Seinsfeld) kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich war zwischen zwei und drei sagt meine Mutter. Mein Bruder ein Jahr älter. Beim zweiten Mal, ich war nun vier Jahre, wurden wir für 6 Wochen nach Borkum (Haus Concordia) geschickt. Das war ermutlich Sommer 1971 oder 1972. Als ich nach 6 Tagen meinen Bruder fragte, ob wir nun nach Hause können, erklärte er mir erst was 6 Wochen bedeuten. Ich konnte nichts anderes tun als warten. Ich kann mich erinnern, dass ich die Nummer 15 war. Kamm Nummer 15, Mütze Nummer 15, Platz im Speisesaal Nummer 15, ….
    Einmal wollte man uns eine Freude machen und kündigte freudig eine Feier mit einem Clown an. Wir saßen steif im Speisesaal an unserem Tisch wie immer, hatten einen kleinen Kuchen auf unserem Teller und dann kam der Clown. Aber es war überhaupt keine Freude in dem Saal. Ich glaube keiner war froh oder hat gelacht.
    Nachts hat ein Mädchen neben mir öfters ins Bett gemacht. Sie wurde auch so bloß gestellt, dass wir alle Angst bekamen ebenfalls ins Bett zu machen.
    Möglicherweise waren einige Erzieherinnen nett und haben sich Mühe gegeben. Sie haben sogar Fotos gemacht die wir noch besitzen. Aber die Stimmung, das Heimweh und die graue Zeit haben alles zunichte gemacht. Ich war immer brav, habe möglicherweise auch immer nur als Beobachterin fungiert, aber ganz sicher habe ich sehr gelitten. Mein Bruder erzählt, er wurde mal sehr verprügelt, weil er nachts aufgestanden war, um sich ein Taschentuch zu holen. Seine Nase lief.
    Ich kann bis heute nicht auf die Insel Borkum fahren. Alleine beim Gedanken, ich müsste dort hin, kommen mir die Tränen. Ich weiß nicht, was dort war, dass das so ist.
    Beim dritten Mal,kurz vor meinem 6. Geburtstag wurden wir beide nach Heimenkirch (Herz Jesu-Heim) ins Allgäu geschickt.
    Obwohl ich hier älter war, kommt in meiner Erinnerung keine einzige Person vor. Kein Kind, kein Erwachsener. Alles verdrängt. Ich war entsetzt. Wieder für lange Zeit auf mich allein gestellt. Kein Entkommen. Keine Liebe, kein Kuscheln, nichts Vertrautes…..
    Ich erinnere mich,dass ich einmal alleine draußen stand, die Luft genoss, die Natur war so grün und duftete gut. Eine Erlösung. Das Brot im Speisesaal schmeckte so gut.
    Ich habe dieses Heim dieses Jahr noch einmal aufgesucht und wollte wissen, ob dies ein magischer Ort ist. Konnte die Stimmung von damals aber nicht spüren. Ist eh alles verbaut. Heute ist es ein Altersheim. Ich habe meinen Bruder zu Heimenkirch befragt. Auch hier wurde er sehr verprügelt, weil er dem Heimleiter eine Armbanduhr gestohlen hatte.
    Warum er das tat, weiß er heute nicht mehr.
    Insgesamt haben diese Verschickungen mich und meinen Bruder sehr geprägt und auch traumatisiert. Ich selber habe an mir keine Misshandlungen in Erinnerung. Mir reichte das Heimweh, die düstere Stimmung, das Endgültige, das Machtlose. War ich Zeugin? Ich weiß es nicht. Habe alles verdrängt.
    Ich vermute aber auch, dass diese Heime schon lange vorher existiert haben und auch das Personal bzw. die Tanten schon einige Jahre tätig waren und deshalb die Erziehungsmethoden unverändert waren wie zu den Nazizeiten.
    Wenn ich meine Mutter frage, fand sie es sehr nett fand, dass man Ihr diese Kuren für uns immer genehmigt hat, obwohl wir keine Krankheiten hatten. Aber meiner Mutter ging es nicht gut,deshalb wurde immer ihrem Wunsch entsprechend eine Kur für uns bewilligt. Wie so vielen überforderten Eltern, die noch Nachwirkungen aus ihre eigenen Jugend in der Kriegs- oder Nachkriegszeit hatten.
    Viele Grüße alle!
    Heike

  89. Noch ein paar Nachträge zu meinem Erlebnisbericht vom 23.10.:

    Kann sich jemand, der Mitte/Ende der 70er im “Schloss am Meer” in Wyk auf Föhr war, an weitere Details aus dem Heimalltag erinnern, z.B. in Bezug auf das Strafpunktesystem? Was war alles verboten, was wurde wie bestraft? Ich weiß noch, dass wir Strafpunkte für eine Kissenschlacht bekamen.

    Zum medizinischen Aspekt der Kur: Ich kann mich erinnern, dass es im Kurheim einen Behandlungsraum/Arztzimmer gab, in dem ich wg. Neurodermitis regelmäßig mit der vom Hausarzt verordneten Salbe eingecremt wurde. Aber ansonsten gab es m.W. überhaupt keine Anwendungen. Anscheinend ging die Barmer Ersatzkasse davon aus, dass allein das Seeklima schon den Kuraufenthalt rechtfertigen würde. Gibt es so was heute auch noch? (Bei mir scheint es damals tatsächlich etwas genützt zu haben: Meine asthmatischen Beschwerden verschwanden im Laufe der folgenden Jahre, und ich war nicht mehr so anfällig für Bronchitis. Nur die Neurodermitis blieb.)

    Da hier jemand fragte, was aus dem “Schloss am Meer” geworden ist: Ich hab mal ein bisschen gegoogelt und rausgefunden, dass das Haus schon 1925 unter diesem Namen als Hotel existierte. Spätestens ab Mitte der 50er wurde es von der Barmer als Kinderheim betrieben (man findet immer wieder alte Postkarten). Ende der 90er gab die Barmer das Haus auf, danach war es für kurze Zeit eine Hypnoseklinik und dann (äußerlich weitgehend unverändert) bis Ende 2009 wieder ein Hotel. Inzwischen wurde das Haus komplett entkernt und zu einer Ferienwohnungsanlage umgebaut.

    https://www.shz.de/lokales/insel-bote/das-schloss-am-meer-wird-zum-appartement-haus-id2227551.html

  90. Ich bin mit 10 Jahren im Herbst/Winter 1961 mit dem Abendzug von Essen nach Dagebüll gefahren u. dort bei Tageslicht mit einem Schiff in Wyk auf Föhr eingetroffen. Da mein Bruder schon vorher in einem Kurheim war und über keine schlimmen Erfahrungen berichten konnte, war ich nicht so mutlos.
    Fragt man mich nach dem Namen des Kinderkurheimes, fällt mir spontan der Name „Haus Schöneberg“ ein. Aber heute sah ich das Foto der Stiftung Ballin Am Sandwall mit den rot-gelben Backsteinen u. mit den sich nach oben verschlankenden Zinnen und tippe darauf. Haus Schöneberg ist abgerissen u. durch einen Neubau ersetzt.

    1993 habe ich vom Hafen Wyk aus in einem Spaziergang sofort das damalige Haus, am Strand gelegen, ohne Zweifel wieder erkannt. Und bin rein, kein Mensch zu sehen und ich sah den dunklen Holzflur, den großen Eßsaal, die breite Holztreppe und das Klassenzimmer unverändert wieder.

    Schlimmes, wie hier von sehr vielen beschrieben, hatte ich so nicht erlebt, mag sein, dass ich einiges damaliges Unbehagen hinter mir ließ. Wir hatten keine begleitenden Betreuer*innen, wir waren sozusagen ALLEIN. In Erinnerung ist mir heute die große Lieblosigkeit, die fehlende Zugewandtheit allen Kindern gegenüber u. sofort fällt mir die damalige Schwester Irmgard mit „Häubchen“ ein, verhärmd aussehend, nie freundlich guckend, nie ein nettes Wort. Schlafsäle, wie die von Anja Röhl beschrieben, sah ich nicht, aber untergebracht in einem hellen Schlafzimmer mit ca. 8 Betten, und ein großes Fenster mit Blick aufs Meer. Ich erinnere mich an eine mittelblonde 14-jährige, die an ihren Händen unter Neurodermitis litt und eine “Meersalz”-Salbe erhielt, mit der sie sich behandelte.

    Ein primitives „Badezimmer“ mit mehreren, richtig primitiven Waschtischen und immer kalt! Liegestühle und dicke Decken auf einer Liegeterrasse warteten täglich auf uns u. regelmäßige kleine Blutuntersuchungen. Erinnere mich an zwei Schwestern, die so lange vor ihren Brötchen sitzen mussten, bis sich eine erbrach und rumerzählte wurde, sie hätte es wieder aufessen müssen, ohne, dass es jemals von dem Personal dementiert oder erwähnt wurde.
    Eigentlich sprach man kaum mit uns, ja, tatsächlich, die Kommunikation bestand aus Anweisungen: “die Mädchen hierhin, die Jungen dorthin..”
    Deshalb kann ich mich nur an eine Ausnahme mit einer Betreuerin am Strand erinnern, die uns etwas über Sturmfluten erzählte. Einmal bin ich nachts ängstlich auf die Toilette und es gab gleich Schimpfe von der Nachtschwester. Ungewöhnlich, dass sich ein Kind lieber mal als unsichtbar sehen möchte…
    Und natürlich auf uns Kinder endlos wirkende Spaziergänge in Zweierreihe durch Wyk aber auch an Spaziergänge in die umliegenden Kieferwäldchen. An Bäume, die vom Wind schräg in eine Richtung geneigt waren; So etwas Schönes kannte ich ja nicht aus dem Ruhrgebiet.
    In tiefer Erinnerung ist mir ein kleines Mädchen geblieben, die weinend von ihrem Vater auf der Strasse, vor dem Haus, wieder da rausgeholt wurde. Meine Mutter schickte mir in einem Paket rote Gummistiefel, ich war im November die einzige Glückliche, die damit ins Wasser gehen durfte.

    Heute, mit meiner Erfahrung, muss ich das alles als serielle Abfertigung von Kindern bezeichnen.

    Schön wäre, falls sich hier einige Leser wieder finden würden?

  91. Liebe Anja,
    durch Zufall habe ich heute Ihre Antwort entdeckt. Ich wartete die ganze Zeit auf eine Email.
    Ich dachte, es wird keine Antwort mehr kommen. Ich kann sehr viel berichten, habe zum Teil, wie gesagt, die Genehmigungen von der Krankenkasse, Briefe etc. Aber ich möchte hier auf dem Portal nicht das berichten, was mir passierte, um andere Menschen nicht noch mehr zu traumatisieren und vielleicht ähnliche Erinnerungen hervorzurufen. Eines der Heime ist nun ein Altersheim, das Andere ist ironischerweise nun eine Klinik für Psychosomatik. Ich kann meine Erlebnisse nicht aufschreiben, so schrecklich sind sie, ich könnte ggf darüber sprechen. Und da auch nur über einen Teil, denn der Rest ist so entsetzlich, dass ich wahrscheinlich nie darüber reden werde. Außerdem sind noch ca. 8 Jahre fast ganz im Dunkeln verschwunden, denn ich war immer weg, regelmäßig, bis ich 18 Jahre alt war.

  92. Ein Fernsehtipp, für alle, die nach Föhr verschickt wurden – um evtl. schemenhafte Erinnerungen an die Insel zu konkretisieren…

    Morgen, am Samstag, 24.11. läuft um 21:10 Uhr auf ARD-alpha eine uralte Reportage: “Von Friesen und Vogelkojen – mit Hans Rosenthal auf die Insel Föhr” (Wiederholung nachts um 02:15 Uhr). Ob die Sendung von 1972 oder 1978 ist, geht aus der Ankündigung nicht genau hervor.

    https://www.br.de/mediathek/video/alpha-retro-1978-mit-hans-rosenthal-auf-die-insel-foehr-von-friesen-und-vogelkojen-av:5bc5ff05fdefe20018ca5a2f

  93. Ja, die Sendung wurde wohl leider überhaupt nicht in die Mediathek gestellt.

    Ich habe die Reportage (sie war tatsächlich von 1978) aufgezeichnet und gesehen. Wiedererkannt habe ich allerdings nichts, denn vom Hauptort Wyk wurde fast nichts gezeigt. Der Ankündigungstext auf der oben verlinkten Seite beschreibt den Inhalt schon ziemlich vollständig.

  94. Vor wenigen Tagen erhielt ich Anja’s Fragebogen, den ich zwar noch nicht kenne, aber bestimmt bearbeiten werde.

    Mir ist aufgefallen, dass von den vielen kommentierenden kein einziger einen ersetzenden internen Schulbesuch erwähnte, der an mir u. anderen Kindern, leider
    – aus Kindersicht – nicht vorübergegangen war. Schulpflicht eben, egal wo.
    Ich habe sie neutral in Erinnerung, was heißen soll, dass der Lehrer sein jeweiliges Klassenstufen-Programm abzog und als Person nichts Bedrohendes an sich hatte.

  95. Ich war im Sommer 1968, 8 jährig mit meinem Bruder, 5 Jahre, im Schwarzwald für 6 Wochen. Es war furchtbar und mein Bruder erzählt heute noch mit tiefer Abscheu von diesen Erlebnissen. Ich hatte dort viel Angst und der Zwang zu essen war für mich ein Alptraum.

  96. Ich war 6. Und wurde von meinen Eltern für 6 Wochennach St. Peter Ording, Kinderheim Köhlbrand, geschickt. Es war die grausamste Zeit meines Lebens. Ich habe mich, nachdem ich wieder zu Hause war, immer im Bad eingeschlossen, wenn ich mich wusch. Ich konnte keine Berührungen meiner Eltern ertragen, jegliche Art von Nähe ertrage ich auch heute nicht, ich hatte und habe eine ausgeprägte Abneigung gegen Frauen. Meine Briefe wurden zensiert, wenn meine Eltern anriefen, stand ein weiblicher Drachen neben mir, die Päckchen, die mir meine Eltern sandten, wurden konfisziert. Wenn einem das Essen nicht schmeckte, wurde man gezwungen, es zu essen. Erbrochenes bekam man wieder auf den Teller. Wenn man nicht sofort den Befehlen gehorchte, wurde man geschlagen, wer nachts ins Bett machte, musste in den Keller. Wir waren am Meer und in den 6 Wochen 2 mal am Strand. Wir wurden 6 Wochen lang indoktriniert, von Frauen, die früher in SS-Lagern Dienst taten, wie ich vor einigen Jahren erfuhr. Ich traute mich erst nicht, meinen Eltern etwas davon zu erzählen, aber eigentlich wollten sie es auch nicht wissen. Meine Mutter fragte mal bei der KK nach, weil ich so verwahrlost und gestört aussah, gab sich aber mit deren Erklärung zufrieden. Ich habe dort viele gräßliche Situationen erlebt, über die ich auch heute noch nicht reden kann. Ich habe mir Bilder dieses Kinderheims angesehen, ist inzwischen ein Mutter-Kind-Heim……..ich habe es bis heute nicht geschafft, dorthin zu fahren, noch nicht mal in die Nähe. Aber ich hoffe, dass ich es irgendwann schaffen werde und dann damit abschließen kann.

  97. Die unten stehenden Erinnerungen habe ich vor ein paar Jahren mal runtergepinnt, als ich auf einer ähnlichen Seite war. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich ihn damals überhaupt abgeschickt habe, falls ja, ist er jetzt eben doppelt. Schade, dass es in meiner Jugend noch kein Internet gab, es hätte wohl einen Aufstand gegeben. So war ich jahrelang der Meinung, ich hätte halt Pech gehabt und hielt das Ganze für einen Einzelfall.
    Bei mir hat es Jahre gedauert, bis ich überhaupt über diese Erlebnisse gesprochen habe. Nach der Rückkehr in mein Leben habe ich alles einfach abgeschüttelt. Ich werde nie vergessen, wie entsetzt meine Eltern waren, als mal die Rede darauf kam. Diese Kinderquäler hätten vor Gericht gehört, aber wer weiß, wie die deutsche Justiz damals damit umgegangen wäre. Und heute würde ich gern wissen, ob die Barmer jemals davon erfahren hat und wenn ja, wie damit umgegangen wurde.

    Hier also meine Erinnerungen:

    Mich hat es 1966 als Neunjährige nach Weisel verschlagen. Eigentlich sollte ich ans Meer, weil ich „schwache Bronchien“ hatte, aber da war wohl gerade nichts frei, also ab in den Taunus. Zu Fräulein Netz und Schwester Dingens! Ich würde sie heute gern fragen, wie sie sich damals gefühlt haben. Ob es ihnen Spaß gemacht, Kinder zu quälen?
    Ich erinnere mich noch sehr deutlich :
    Geschlafen wurde in Mehrbettzimmern bei offenen Türen, während Schwester Dingens im Gang auf dem Stuhl saß und beim leisesten Mucks wie eine Furie ins Zimmer schoss. Wurde die Übeltäterin identifiziert, zerrte sie sie ab in den Speisesaal, wo man dann auf der harten Holzbank schlafen musste. Das war nicht nur unbequem sondern abends auch absolut schaurig. Und jeden Tag morgens und nach dem Mittagsschlaf Betten machen! Ich beherrsche heute noch die Weiseler Methode im Schlaf: ein Drittel der Decke quer aufs Bett, den Rest einmal einschlagen und dann überlegen. Und wehe es war auch nur ein Fältchen zu sehen. Das Bettzeug wurde so oft runtergerissen, bis es faltenfrei lag.
    Das Essen! Am Anreisetag wurden alle mitgebrachten Brote eingesammelt und zum Abendessen gab es dann „Brotpudding“: kleingeschnittene Wurst- und Käsestullen in Vanillepudding! Ich hatte übrigens vergessen, eine Schokoladentafel aus meinem Barmer-Rucksack zu nehmen. Als sie mir abends wieder einfiel, war sie allerdings weg. Die Damen hatten unser Gepäck durchsucht und alles konfisziert was an Essbarem darin war. Diejenigen Kinder, bei denen sie fündig geworden waren, wurden dann beim ersten Frühstück namentlich als Betrüger gebrandmarkt, die heimlich Süßigkeiten hätten bunkern wollen. Ich habe mich sechs Wochen lang dafür geschämt! Ansonsten gab es jeden Tag u.a. Salat, der in einer großen Plastikwanne angekarrt wurde, vor Sahne troff und vom Zucker knirschte. Das Geschirr war aus vergammeltem, hellblauem Plastik und alles wurde auf einen Teller geklatscht, so dass die eklige Salatsauce alles andere noch ungenießbarer machte. Und beim Gedanken an warme Milch aus einem abgekauten Plastikbecher wird mir heute noch übel. Wir mussten bei jeder Hauptmahlzeit einen Nachschlag nehmen (inklusive Salat, der galt damals wohl als Zaubermittel, vielleicht war er aber auch nur billig), da der Kurerfolg an der Gewichtszunahme gemessen wurde. Nahm man nicht ausreichend zu, drohten drei Wochen Nachkur, für alle Kinder eine Horroraussicht. Ein Mädchen, Skarlett, mochte keine Schokoladensuppe, die es mehrmals wöchentlich zum Abendbrot gab. Immer wenn sie den Teller fast leer hatte, musste sie sich übergeben. Dann musste sie das Erbrochene aufwischen, bekam eine neue, volle Portion und das Elend begann von vorn. Wenn wir schon längst im Bett lagen, saß sie noch allein im Speisesaal und musste weinend die Pampe runterwürgen. Bevor wir zu Bett gingen wurden noch die speckigen Mundorgeln ausgepackt und wir sangen fröhliche Lieder: “Wildgänse rauschen durch die Nacht…” “Wenn wir erklimmen, schwindelnde Höhen…” “Aus grauer Städte Mahauern..” “wir lagen vor Madagaskar…” und zum Hohn “Kein schöner Land in dieser Zeit…”
    Während meines Aufenthalts hatte ich Geburtstag. Meine Mutter hatte mir ein Päckchen mit Süßigkeiten geschickt. Die durfte ich nicht einmal ansehen. Die Sachen wurden zu den Geschenken anderer Kinder in eine große Schüssel geleert und ab und zu durfte sich jedes Kind etwas daraus nehmen. Das nannte sich „Teilen lernen“….
    Samstags wurde gruppenweise geduscht – unter Aufsicht des Personals. In den prüden Sechzigern war das für uns pubertierende Mädchen äußerst peinlich. (Ebenso wie die Unsitte, nur mit der Turnhose bekleidet Völkerball zu spielen, und das in gemischten Gruppen. Die Regel galt für alle unter 12.) Nach dem Duschen gab es eine frische Unterhose und dann ging es ab zum Doktor, zum Wiegen. Wer nicht ausreichend zugenommen hatte, bekam Extraportionen und Liegekuren verordnet. Das hieß: nach dem Mittagsschlaf ging es ab auf den Liegestuhl und dann musste man mucksmäuschenstill liegen statt Sport zu treiben. Mittagsschlaf kannte ich übrigens gar nicht aus meinem wirklichen Leben. Welches normale Kind mit 9 geht am hellen Tag ins Bett? Ich habe in den 6 Wochen tagsüber nicht eine Sekunde geschlafen! Das Ganze war also eine zweistündige Übung in stummer Bewegungsstarre unter strengster Bewachung. Wenn wir wenigstens hätten lesen dürfen!!!! Ich war 6 Wochen auf Entzug. Einzige Lektüre: die Briefe der Eltern, die natürlich vorab geöffnet und von unseren Bewachern gelesen wurden. Überhaupt gab es keinerlei Privatheit. Die Toilettentüren waren nicht abschließbar. Abziehen durften wir nur bei großen Geschäften, ansonsten stand das Pipi im Klo. So kam ich ungewollt zu einem Aufklärungsschreck, als ein Mädchen ihre Periode hatte und sich nicht traute, zu spülen.
    Ab und zu gab es eine „Schreibstunde“, in der wir nach Hause schreiben mussten. Wer fertig war, musste seinen Brief bei Fräulein Netz abgeben, die ihn erst einmal las und vor der gesamten Gruppe kommentierte. Ein Junge, der sich über das Essen zu beschweren wagte, bekam die Fetzen seines Briefes zurück und musste von vorn beginnen. Mich hat es besonders schwer erwischt. In einem Anfall von Heimweh hatte ich geschrieben, ich wolle in Zukunft ganz lieb zu meinem kleinen Bruder sein. Die Häme, die da über mich ausgekippt wurde, war schlimmer als jede Strafe.
    Wir mussten für die sechs Wochen zwölf Mark Taschengeld mitnehmen. Das war damals sehr viel Geld, zuhause habe ich damals 30 Pfennig die Woche bekommen. Und wofür ging die Kohle in der Kur drauf? Wir mussten das Geld abgeben und bekamen dafür Briefmarken und Ansichtskarten vom Heim. Ansonsten konnten wir kein Geld ausgeben, wir hatten ja gar keinen Kontakt zur Außenwelt. Also blieb noch jede Menge übrig. Das wurde uns dann am letzten Tag aus der Tasche gezogen, als es eine regelrechte Verkaufsschau gab: Holzscheiben mit den Aufschriften „Vater ist der Beste“, Pinnekes, umhäkelte Taschentücher mit dem Schriftzug „Gruß aus St. Goarshausen“ und ähnlicher Plunder wurde uns angedreht, und zwar so lange, bis unser Taschengeld komplett aufgebraucht war. „Du willst deinem Papa nichts mitbringen? Da ist er aber traurig und denkt, du hast ihn nicht lieb wenn du ihm kein Andenken mitbringst!“ Ich weiß noch genau, dass diese blöde Scheibe für meinen Vater drei Mark gekostet hat, so viel Geld hatte ich vorher noch nie auf einmal ausgegeben. (Und das Ding verschandelte dann noch jahrelang unsere Küche!)
    Das Geld war also weg, aber wenigstens bekamen wir unseren Privatbesitz zurück bevor wir nach Hause fahren durften. Ich frage mich gerade, warum sie uns wohl die Uhren abgenommen hatten? Jedenfalls ging die Rückgabe auch nicht ohne Häme ab, bei meiner Uhr fragten sie: „Wem gehört denn dieser hässliche Wecker?“
    Apropos Schikane und Psychoterror: Jedes noch so kleine „Fehlverhalten“ wurde mit dem Hinweis kommentiert, das käme alles in den „Bericht“. Angeblich würde Fräulein Netz über jedes Kind einen Führungsbericht an die Krankenkasse schicken und bei besonders schlimmen Kindern müssten die Eltern dann nachträglich die kompletten Kosten für die Kur übernehmen. Das gelte im Übrigen auch, wenn sich jemand über die tolle Kur zu beschweren wage. Für Arbeiterkinder aus dem Ruhrgebiet eine schwerwiegende Drohung! Noch Wochen nach der Kur habe ich nächtelang wachgelegen und vor Angst gebibbert, dass am nächsten Tag der böse Brief der Barmer kommen würde. Und das, obwohl und gerade weil ich damals ein sehr liebes, angepasstes kleines Mädchen war.
    Die Kur war übrigens aus Sicht der Barmer ein voller Erfolg. Als Hungerhaken gestartet, kam ich nach sechs Wochen als Mops zurück. Meine Mutter, die mir vor der Kur noch jede Menge neuer Kleider genäht hatte, brach in Tränen aus, als ich aus dem Zug kletterte und das schöne neue Dirndl komplett gesprengt hatte. Seitdem habe ich übrigens nie wieder Normalgewicht gehabt!
    Ob es nur die Drohung des sadistischen Personals war oder die Erleichterung, diese schreckliche Zeit überstanden zu haben – ich habe jedenfalls als Kind nie von den Zuständen im Heim erzählt. Erst später, als wir schon längst erwachsen waren, hat sich im Gespräch mit anderen herausgestellt, dass es denen genauso ergangen ist. Das Ganze liegt fast 50 Jahre zurück und hat „nur“ sechs Wochen gedauert. Wie werden sich Menschen fühlen, die jahrelang unter vergleichbaren Umständen traktiert wurden?
    Und wie mögen Menschen vom Kaliber eines Fräulein Netz im Nachhinein ihr pädagogisches Wirken bewertet haben? Ich bin kürzlich zum ersten Mal seit damals an Weisel vorbeigefahren und bin beim Googeln auf diese Seite gestoßen. Als ich vorhin begann, diesen Bericht zu schreiben, habe ich gedacht, ich würde gern mal mit den „Erzieherinnen“ reden, jetzt, nachdem beim Schreiben wieder so viele Erinnerungen hochgekommen sind, würde ich ihnen viel lieber ordentlich eine reinhauen!
    PS. Ich habe auch eine sehr schöne Erinnerung an die Kur! Als es mal furchtbar regnete, durften wir im Speisesaal eine Folge „Kater Mikesch“ sehen. Da wir damals zuhause noch keinen Fernseher hatten, fand ich das supertoll!

  98. Durch blanken Zufall auf diese Seite gestoßen – und sofort davon „elektrisiert“ worden., Ich habe diese Art sechswöchiger Kinder-„kuren“ gleich 3 mal mitgemacht, immer unter der Ägide des Bundesbahn-Sozialwerks. Mein Vater war damals Bundesbahnbeamter.

    1958 oder 59 (als 5-bzw. 6-jähriger und angeblich wegen Asthmas) war ich diese legendären , schier unendlichen 6 Trennungs-Wochen in einem Heim in Bad Reichenhall – mit seltsam unvergänglichen Erinnerungen etwa daran, während des verordneten Mittagsschlafs als Einziger geweckt worden zu sein, um mit einem anderen Kind alleine, allerdings in Anwesenheit eines offenbar heim-fremden dicken Mannes im Sand zu spielen und Rutschbahn zu rutschen.
    Als 8ähriger 1961 in einem Heim in Arosa in der Schweiz mit einer beängstigenden Inszenierung: Es wurde von den „Tanten“ offenbar testweise und mit panischen Gesten Feueralarm ausgelöst …
    Besonders schlimm meine Erinnerungen an das Haus Tanneck in Wyk auf Föhr (1963). Nur eine einzige der Erzieherinnen habe ich als einigermaßen zugewandt in Erinnerung. Ich erinnere ihren Namen, weil sie meinen Eltern eine Karte schrieb, die ich noch besitze. Die damals schätzungsweise 22-25jährige hieß Erika Speer. Vielleicht war sie so „anders“, weil sie kaum eine (erwachsene) Nazi-Vergangenheit haben konnte. Niemals später mal wieder was von ihr gehört. Auf einem Foto von diesem Föhraufenthalt, das ich ebenfalls noch habe, ist sie zusammen mit der gesamten Kindergruppe abgebildet. – Danke, Anja für Ihre Initiative. Gerne irgendwann mehr.

  99. Hallo Anja,
    durch Zufall bin ich auf deine Seite gestoßen und bin schockiert, was ich über das Kindererholungsheim in Wyk auf Föhr zu lesen bekam und wie viele Betroffene es gibt! Ich selbst wurde im Mai 1968 dorthin „verschickt“. Damals war ich 7 Jahre alt. 1970 wurde ich nochmals „verschickt“ und zwar nach Muggendorf in der fränkischen Schweiz. Bei beiden Kuren kann ich mich an fast nichts erinnern, nur an den großen Bettensaal und dass, wenn zum Schlafengehen noch gesprochen wurde oder Unruhe herrschte, sich alle Kinder auf den Bauch legen mussten, die Decke hochziehen mussten und dann jeder einen Schlag auf den Hintern bekam, sozusagen als Kollektivstrafe. Auch kann ich mich an den Mittagspausenraum erinnern, in dem man eine gefühlte Ewigkeit in eine Decke eingewickelt ganz ruhig liegen musste. Außerdem saß an meinem Tisch ein Junge, der sich jeden Tag beim Essen auf seinem Teller erbrach und dann würgend mit dem Teller vor dem Mund aus dem Speisesaal lief. Mehr Erinnerungen habe ich nicht und ich weiß auch nicht, auf welche der beiden Kuren sich meine Erinnerungen beziehen. Auf jeden Fall läuft in meinem Leben nicht alles ganz rund und ich frage mich, ob das vielleicht auch mit Dingen, die in den beiden Kuraufenthalten vorgefallen sind, zu tun hat, an die ich mich eventuell nicht erinnern kann.
    Liebe Grüße, Karin

  100. War Jemand so wie ich in dem Kinderheim STIEG in Oberalpfen, Unteralpfen oder in Friedenxeiler im Schwarzwald? Das waren die 2 schlimmsten Heime, an die ich mich erinnern kann? Ich war da mehrfach.

  101. Ich war Anfang der 80er Jahre im Schloss am Meer. Wie alt ich gewesen bin, weiß ich nicht mehr, kann mich aber noch gut an Sanktionen durch die Aufseherinnen erinnern.
    Ich war über Ostern dort, viele Kinder hatten natürlich Süßigkeiten von ihren Eltern geschickt bekommen. Die Pakete wurde abends verteilt (wir saßen alle in einem Raum) und wurden jewes aufgerufen und mussten unser Paket aufmachen. Waren dort Süßigkeiten drin, wurden diese weggeschmissen. Ich kann mich gut dran erinnern, dass ein Junge nur Süßes in seinem Paket hatte, sodass er nichts zu Ostern bekam. Er hat bitterlich geweint, was den Aufseherinnen egal war.
    Wenn irgendjemand Quatsch gemacht hat, mussten beim Abendessen alle Kinder ihren Kopf auf die Tische legen und einen Arm hoch nehmen. Ich dachte Anfangs, es sei ein Spiel, aber leider war es das nicht. Wenn man den Arm runtergenommen hat, bevor es erlaubt war, wurde man ausgeschimpft. Es könnte 10 Minuten dauern, bis man den Arm runternehmen durfte.
    Ein Kind hatte in der Vorstellungsrunde gesagt, es würde ‘Nick’ heißen. Die Aufseherinnen lachten ihn aus – das sei ja wohl kein Name und er soll nicht lügen.
    Ich habe meiner Mutter nie von den Erlebnissen erzählt, wollte sie nicht verunsichern und habe das meiste aus der Zeit verdrängt und weiß noch, dass ich dieses Heim und meine Zeit dort (es müssen ca. 4-6 Wochen gewesen sein) gehasst habe.

    Hat sich die Barmer eigentlich mal bzgl der zahlreichen Erlebnissberichte hier gemeldet?

    1. Die Kassen schalten bisher auf stur, zumindest die, die ich angerufen und aufmerksam gemacht habe, das wird sich noch ändern, wenn wir erstmal genügend Öffentlichkeit haben. Dazu soll es ein Buchprojekt, und dann den Kongress geben und dann gehen wir an die Nachfolgeheime ran, die heutigen Kinderkurkliniken. Die müssen sich ihrer Vergangenheit stellen! Und auch die Kassen, da gebe ich dir recht, müssen Erinnerungsarbeit leisten und Verantwortung übernehmen. Leider gibt es ja auch heute noch viel zuviel Pädagogik der Strafen, und das obwohl längst nachgewiesen ist, das Strafen und Zwang zum Lügen und zur Aggression führen. Ein Grund dafürsteht sicher, dass vormalige Pädagogik immer noch zuwenig aufgearbeitet wurde. Dazu liefern wir jetzt unseren bescheidenen Beitrag!
      Grüße
      Anja

  102. Hallo, wird der Kongress im Nov. 2019 öffentlich begleitet, ggf. medial unterstützt, TV Bericht?

    1. Natürlich, bin dabei, das zu organisieren, bitte telefonisch oder per Mail melden, wenn Sie sich beteiligen möchten, Grüße, Anja Röhl

    2. Geplant ja, die ZEIT ist angefragt, SPIEGEL auch, im TAGESSPIEGEL ist eine Jounalistin selbst Betroffene, sie schreibt darüber, falls du da Kontakte hast, her damit! Alles ausschöpfen! Kontakt gern über mich
      Anja

  103. Ich war mit 8 oder 9 Jahren, 1957/1958, in Wyk auf Föhr zur Erholung in einem Kinderheim. Kann mich leider an vieles nicht mehr erinnern da ich diese nicht sehr schönen sechs Wochen total verdrängt habe. Der Kostenträger müsste die DAK gewesen sein. Ich kann mich an einen Bahnhof erinnern, Fahrkarte um den Hals und dass sie im Zug alle sehr nett waren. An das Heim habe ich nur zwei Erinnerungen, eine schlechte wegen dem Essen und die gute an einen Strandausflug mit professioneller Führung. Ich war damals das erste mal von meiner Familie getrennt und konnte das alles nicht verstehen. Ich kam als Hungerhaken auf die Insel und als Hungerhaken wieder zurück. Die süßen kalten Suppen sowie die ganze friesische Küche gingen nicht in mich hinein. Wenn ich mir jetzt das Gehirn zermartere was da damals passiert ist, finde ich vielleicht eine Erklärung dafür, dass ich nicht länger als drei/vier Tage von zuhause weg kann. Kann gut mit diesem einschneidenden Erlebnis auf Föhr zusammenhängen.

  104. im Jahre 77 oder 78 wurde ich von der Barmer KK nach St.Peter Ording verschickt, mit einem Wort ‘Horror”……

  105. Guten Tag zusammen,
    Kann sich hier auch jemand erinnern, das er/sie in St. Peter-Ording bei den Nonnen war?

    Ich glaube, ich war vier Jahre alt, als ich in die Kindererholung mußte. Ich habe ziemlich gruselige Erinnerungen an diese Zeit. Besonders die Haferschleimsuppe… ich sollte damals zunehmen,weil man der Meinung war, ich sei zu dünn!

    Ich mußte solange am Tisch sitzen bleiben, bis ich die diese für mich wohl eklige Suppe aus diesem noch ekligeren Plastikbecher getrunken habe. Und das mit wohl 4 Jahren.

    Damals war ich wohl dort die kleinste und jüngste. Ich erinnere mich, das mir einige der älteren Kinder beigestanden haben, indem sie sich meine Suppe untereinander aufteilten!

    Dafür danke ich Euch Allen immer noch von ganzem tiefsten Herzen. Ich denke oft daran!

    Mittlerweile bin ich 59, seit frühester Jugend eßgestört und inzwischen aus diversen Gründen dauerhaft erwerbsgemindert berentet.

    Es war wohl der Anfang einer Leidenszeit, die heute so langsam ihr Ende findet. Mir geht es mittlerweile ganz gut. Aber immer, wenn ich St. Peter- Ording höre, denke ich an euch.

    Aber die Zeit am Strand auf der Seebeücke und in dem Wald war schön! Ich weiß nicht, ob ich noch die Fotos behalten habe… aber ich hatte einen großkarierten Anorak und ich saß fürs Foto bei irgend einem größeren jungen auf dem Knie und grinse in die Linse. Ja, das ist mir in guter Erinnerung!

    Also nochmals Ihr Jungs und Mädels, die mich so manchesmal vor dem Haferschleim gerettet habt, obwohl ihr ihn selbst nicht mochtet… ich hoffe es geht Euch gut… und seid gesegnet mit einer guten Zeit…Christianei

  106. Hallo Anja, auf der Suche nach dem DAK Heim (in Ebermannstadt in der Fränkischen Schweiz?), In dem ich die letzten zwei meiner insgesamt 4 Kuren verbracht habe, bin ich auf Deine Seite gekommen. Ich wäre sehr dankbar, im November 2019 an dem geplanten Treffen dabei sein zu können. Die ersten beiden Kuren waren in Wyk auf Föhr und im Harz und ich würde gerne meine Erinnerungen mit anderen teilen. Liebe Grüße Ralf Schlüter

  107. Hallo,
    Ich bin erst jetzt und eher zufällig hierauf aufmerksam geworden.
    Lese mich durch die Kommentare und bin entsetzt von den bruchstückhaften Erinnerungen, die mir dabei hochkommen.
    Ich war im Februar 1963 mit knapp 8 Jahren (geb. März 1955) im Schloß am Meer in Wyck auf Föhr.
    Es war einer jeder Eiswinter und ich erinnere, dass der Termin verschoben werden musste und ich schließlich mit dem Eisbrecher auf die Insel kam. Das war aufregend und ich war voller Vorfreude.
    Ich erinnere strenge Regeln und Drill. Ich war wegen einer schlechten Fußstellung dort und glaube mich auch an sehr schmerzhafte Physiotherapie-Übungen zu erinnern.
    Mich plagte schreckliches Heimweh, die Atmosphäre war kalt, streng und lieblos.
    Die ewig lange Mittagsruhe, eng an eng wie in einer Sardinenbüchse bewegungslos auf Matten in einer Art Turnhalle oder einer Art von Veranda war unerträglich. Die kleinste Bewegung wurde bestraft. Und bei der Beschreibung von den Rotlicht-Phasen, die die Zeit der nachts erlaubten Toilettengänge regelten, stellten sich mir auch die Nackenhaare hoch.
    Bettnässen und dafür zur Strafe an den Pranger und bloß gestellt zu werden kommt mir auch sehr bekannt vor.
    Hier sind die Fotos, die ich habe. Ich hab auch noch eine Postkarte aus der Zeit. Darin steht, dass Mechthild Geburtstag hatte und die Fräuleins alles für Fasching vorbereiten.
    https://up.picr.de/36167431hk.jpg
    https://up.picr.de/36167433mw.jpg
    https://up.picr.de/36167434xy.jpg
    https://up.picr.de/36167435vf.jpg

    Ich hoffe, der link funktioniert. Ansonsten schicke ich alles auch gern per mail.

    Liebe Grüße
    Veronika John-Wickel

  108. Hallo und guten Abend,
    habe einige Postkarten vom DRK Kinderheim in Nieblum/Föhr gesucht und gefunden.
    Dort war ich – als ich 10 Jahre alt war – im Jahre 1963 für 3 Wochen zur
    Erholung. Ich war untergewichtig – und ich sollte dort – an der frischen Luft
    Hunger bekommen – und einige Kilogramm zunehmen. Ich meine es ist
    um die Zeit – April/Mai gewesen als ich dort im Heim war. Ich habe – wenn ich mich recht erinnere – 2 Kilogramm zugenommen. Die Seeluft hat mich echt hungrig gemacht.
    Das waren schöne 3 Wochen, die viel zu schnell vergangen sind. Es waren
    sehr freundliche “Tanten” – wir haben viel gespielt, sind gewandert, und
    gern erinnere ich mich an die Zeit.
    Es waren Jungs und Mädchen im dem Heim – ich war 10 Jahre alt – und die
    älteren Kinder waren wohl bis 14 Jahre alt…….die jüngsten denke ich – waren
    so um die 6 – 7 Jahre alt. Es wurden Freundschaften geschlossen und es war
    eine ganz tolle Gemeinschaft. Heimatmuseum wurde besucht, Sonntags ging
    es in die Kirche – es waren unbeschwerte – schöne Zeiten.
    Mittags – nach dem Essen – wurde die Post verteilt, alle warteten gespannt auf
    Postkarten oder Briefe von zuhause…….
    Weder das Essen noch die Wohn- Schlafmöglichkeit gab Anlaß zu Kritik.
    Abends wurden vor dem Schlafen gehen – spannende Geschichten vorgelesen.
    Jedenfalls beruhigt es mich sehr, das meine Erinnerungen mir Recht geben, denn
    ich habe nicht einen kritischen Bericht über dieses vom DRK – Deutschen Roten
    Kreuz geführtem Heim gefunden habe.
    Vielleicht gibt es jemanden, der auch schöne Erinnerungen an die Zeit dort hatte ?
    Ich würde mich freuen.
    Morgen fahre ich mit einer Reisegruppe des DRK nach Föhr – ich bin gespannt ob es
    dort eventuell jemanden gibt, der das Heim kennt und eventuell auch dort zur Erholung gewesen ist.

    Detlev Oetjen

    Es ist wirklich traurig zu lesen, wie viele Kinder in Erholungsheimen schlechte Erfahrungen gemacht haben. Da ist es mir sehr, sehr viel besser ergangen.

  109. Hallo zusammen,
    Ich bin so froh endlich diese Seite gefunden zu haben.Alles durchlesen kann ich nicht da auf
    Einmal die Bilder wieder da sind’! Das erleben auf den Bahnsteig zu stehen die Karte um den Hals ,in den Zug steigen und für 6Wochen von zu Hause weg . Ohne ein Besuch das war verboten kein Telefonat nur über Briefe und Karten mit zuhause verbunden.Das schlimme daran war ich konnte nicht mal lesen und schreiben ,wie soll ich dann einen Brief schreiben … Ich musste immer zur Kur wenn es Daheim wieder zu streßig wurde Vater Gewalttätig und Alkoholiger und Mutter mit 4 Kindern überfordert gewesen. Meine Aufgabe war es in der Kur zunehmen egal wie es musste in den Körper was nicht einfach war ,ich Spucke regelmäßig alles wieder aus .Somit blieb der Kurerfolg aus .Das hieß nochmal weg 6Wochen von zuhause .Das ging bis 1982 so ,mit 15 war meine letzte Kur .Da hatte ich schon einen Trick raus „Finger in den Hals „um ja nicht zu nehmen das war mein Kleiner Proteste.Vieleicht kennt jemand die Kurklinik „Kinderkurheim „Am Meer in Cuxhaven-Duhnen Zeitraum ca.1974-1982;Vielen Dank schonmal im Voraus Danke

  110. Hallo zusammen,
    ich bin durch den heutigen Zeitungsartikel “Zur Erholung in die Hölle” auf dieses Thema aufmerksam geworden.

    Alle hier erzählten Erinnerungen sind einfach nur furchtbar und traumatisierend für die oft sogar sehr kleinen Kinder gewesen. Das hat mich sehr betroffen gemacht.
    Denn auch ich, heute 70 Jahre alt, bin als Kind auch für 6 Wochen zur Erholung verschickt worden. Aber anscheinend bin ich da von einem schlimmen Schicksal verschont geblieben.

    Deshalb möchte ich hier eine Lanze brechen für die Kinderverschickung in den 60ger Jahren. Anscheinend waren nämlich nicht alle Kindererholungsheime in der Zeit die Hölle auf Erden.
    Ich war mit 10 Jahren im Frühjahr 1960 im Kindererholungsheim in Bad Dürrheim im Schwarzwald. Das Heim hatte ein Haupthaus, wo sich auch der Speisesaal befand, und ein separates kleineres Gebäude, welches sich “Waldhaus” nannte. Dort war ich mit ca. 10 – 15 Kindern untergebracht. Ich kam aus einem sehr liebevollen Zuhause und hatte zwei ältere Geschwister. Es wäre mir mit Sicherheit in Erinnerung geblieben, wenn ich dort gequält oder gar geschlagen worden wäre.
    Sicher hatte ich auch Heimweh und sehnte mich nach Zuhause. Aber dennoch habe ich gute Erinnerungen an diese Zeit. Es war Winter und ich kann mich gut an viele Spaziergänge und Aufenthalte in der frischen Luft erinnern. Die Waldhaus”Tanten” waren freundlich zu uns und haben keinen unangemessenen Druck auf uns ausgeübt.
    In Erinnerung habe ich nur, dass die Päckchen von zu Hause auch geöffnet wurden und die mitgeschickten Süßigkeiten eingesammelt wurden. Die wurden allerdings nicht weg geworfen sondern gesammelt und als Süßigkeitengabe an alle Kinder verteilt. Ich fand das zwar doof aber letztendlich gerecht. Denn nicht alle Kinder erhielten Päckchen von Zuhause.
    Alles in allem habe ich deshalb eine gute Erinnerung an diese Zeit und ich kam auch erholt und kräftiger nach Hause als ich hin gefahren bin. Auch mein Klassenziel in der Schule habe ich lt. Zeugnis ziemlich halten können.

    Deshalb meine Bitte hier an dieser Stelle, nicht alle Kindererholungsheime aus der Zeit über einen Kamm scheren. Das wäre den guten Heimen gegenüber nicht gerecht.

    Vielen Dank und mein aufrichtiges Mitgefühl an alle, die es nicht so gut getroffen hatten.

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